So war das Lollapalooza Berlin 2018 am Sonntag


Nach dem ersten Tag auf dem neuen Festivalgelände ist klar, die Veranstaltungsfläche ist groß genug, gar angenehm weitläufig und hat sich vor allem problemlos bei An- und Abreise herausgestellt. Die Schwierigkeiten, die im vergangenen Jahr das Festivalerlebnis in Hoppegarten getrübt hatten, sind nun zum Glück Geschichte. Eine einzigartige Kulisse hat sich auf dem Maifeld mit den zwei großen Main Stages und in der Mitte der Tribüne mit dem Glockenturm geboten und auch die Perry’s Stage direkt im Olympiastadion hat sich als phänomenale Location erwiesen. Wobei am Samstagabend bei der Show von David Guetta (und auch am Sonntagabend bei Kygo) leider ein Einlass-Stop ausgesprochen werden musste – zu viele Besucher, die die beiden Ausnahmekünstler haben sehen wollen.

Das Schaulaufen der modebewussten, kostümierten und extrovertierten Großstädter und Festivaltouristen ist am Sonntag genauso bunt weitergegangen wie am Vortag. Die wohl wichtigsten Accessoires beim diesjährigen Lollapalooza, die Smartphones, lieferten im Dauereinsatz Selfies sowie Foto- und Videodokumentation des Festivalerlebnisses. Die nächste Runde und damit die fünfte Ausgabe wird das Lollapalooza Berlins 2019 am 7. und 8. September sein und erneut im Berliner Olympiastadion & Olympiapark stattfinden.

RIN

Rapper RIN hat gerade das, was man guten Gewissens einen waschechten Hype nennen kann. Millionenfach gestreamte Songs, Dauerplätze ein den Charts und mit seinem Debütalbum „Eros“ (VÖ 2017) großen Erfolg. RIN verpackt post-adoleszente Aufbruchsstimmung, Hedonismus und viel Sinn für Ästhetik in modernen Rap und spricht damit die jungen Generation von Hip-Hop-Fans an. Die ölig dahinfließenden Synthie-Wände und der Einsatz von Autotune in seinen Tracks haben mittlerweile Kultstatus. Vor allem live und mit jeder Menge Bass lässt der junge Mann aus Bietigheim-Bissingen vor allem in den vorderen Reihen kaum jemanden still stehen.

rag’n’bone man

Der frühere Rapper aus dem Südosten Englands betritt lässig die Bühne, im Gepäck hat er Liveband und Backgroundsängerinnen. Rory Graham lächelt und seine Stimme sitzt von der ersten Sekunde an. Der massige Mann mit buschigem Vollbart unter raspelkurzem Crew-Cut und Tattoos am ganzen Körper ist ein sanfter Riese. Bei seinem Hit „Hard Came The Rain“ strotzt er vor Energie und zum Glück bleibt strömender Regen dabei aus. „Skin“ sorgt natürlich für einen absoluten Gänsehaut-Moment und der herzliche Applaus zaubert dem zweifachen ECHO-Gewinner noch mehr gute Laune ins Gesicht. Graham mauserte sich in letzter Zeit zu einem echten Chart-Phänomen. Mit Beats, Soul und Blues trifft Rag’n’Bone Man den Zeitgeist, seine Songs wirken wie Seelenbalsam.

Dua lipa

Die Popsensation aus England steht am frühen Nachmittag auf der Main Stage und lockt jede menge Zuschauer vor die Bühne. Mit ihren 23 Jahren und ihrer tiefen, rauchigen Stimme und dem rhythmischen Flow hat sie es bereits in namhafte Studios auf der ganzen Welt geschafft. Und natürlich in die Ohren von Millionen Hörern. In der derzeitigen „Girlie-Pop-Kultur“ mit Sternchen wie Ariana Grande, Rita Ora und Taylor Swift ist Dua Lipa weit vorn. Bei ihren Hits „New Rules“, „Last Dance“, „Be the One“ oder „Homesick“ kann die junge Britin vor allem live mit ihrer starken Stimme punkten, auch aonstonsten balanciert Dua Lipa perfekt zwischen fetzigen Stücken, Midtempo-Nummern und Balladen. Dazu überzeugt sie mit einer fesselnden Bühnenpräsenz und sieht dabei auch noch unglaublich gut aus. Optik und Attitüde sind stimmig. Kein Wunder, dass sich mit ihr jede Menge junge Mädels mit identifizieren.

wolf Alice

Ellie Rowsell und ihre Jungs aus Lodonon sind zwar erst Anfang 20, in ihrem Heimatland sind sie aber längst absolute Role Models und Rockstars. Wolf Alice können wütend („Yuk Foo“) ebenso wie zärtlich („Don’t Delete The Kisses“) und dazu wildern sie stilistisch bei den großen Gitarrenbands der späten Neunziger. Dabei klingt die Alternative-Rock-Band aber trotzdem dermaßen frisch, als hätten sie diesen Sound selbst erfunden. Hier bei uns sind Wolf Alice noch ein echter Geheimtipp, das wird aber nicht mehr lange so bleiben. Zum Glück stehen in Kürze noch vier weitere Deutschlandtermine an, denn die Truppe um die Frontfrau mit der rockigen Stimme sind im Dezember auf Tournee.

friendly fires

Ebenfalls aus Großbritannien stammt die nächste Band, die wir uns ansehen. Das britische Pop-Trio macht tanzbare Musik mit einem Gefühl von Indie-Pop und einem eindringlichen Feeling von Disco. Friendly Fires stammen aus St. Albans in Hertfordshire, England. Mit Ed MacFarlane an den Vocals und Keyboards, Edd Gibson an der Gitarre und Jack Savidge am Schlagzeug, sind alle drei Mitglieder von Friendly Fires Anfang Zwanzig, als sie 2006 in der britischen Musikszene aufgetaucht sind. Seit ihrem erfolgreichen 2011er-Album „Pala“ und der anschließenden Welt-Tournee ist es still um die englischen Elektro-Indie-Rocker geworden. Nun sind sie wieder auf Tour und das neue Album „Love Like Waves“ ist auch am Start. Der packende Sound und die energiegeladene Show, vor allem von Frontmann MacFarlane, bringen Schwung in die Masse vor der Alternative Stage.

freundeskreis

Wer Bock hat auf richtig coolen Hip-Hop mit einem Retro-Hang dafür aber ambitionierten, fast literarischen Texten, der sollte sich den rappenden Freundeskreis (FK) keinesfalls entgehen lassen. Genau das denken sich wohl auch die meisten Zuschauer vor der Water Stage gegen 21:00 Uhr. Der dreiköpfige Freundeskreis ist für die aktuelle Hip-Hop-liebende Generation vielleicht etwas old-school, aber Max Herre, Don Philippe und DJ Friction  kommen mit taufrischem Sound daher. Da bleibt natürlich keiner ihrer Hits auf der Strecke: „A-N-N-A“, „Mit Dir“, „‘Tabula Rasa“ oder „Esperanto“ werden textsicher seitens des Publikums mitgesungen. Schließlich sind die langjährigen Musiker nicht nur erfahren was Live-Performance angeht, neben den Songs der Beginner, haben Freundeskreis immerhin mit die besten deutschen Hip-Hop-Alben rausgehauen. 90er-Deutschrap vom Feinsten, ehrlich und melodisch, das kam damals an und tut es auch heute noch. Von hinten wie von vorne: top Musiker, top Songs!

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liam Gallagher

Mit seinem ebenso nostalgischen wie zukunftsweisenden Soloalbum „As You Were“ (VÖ 2017) hat sich Liam Gallagher nach einigen musikalischen Fehlversuchen endlich vom großen Oasis-Schatten gelöst. So und nicht anders gar besser klingt der (Oasis-)Sound, den die Fans lieben. Seine Musik vereint moderne Klänge mit rockigen Beats, starken Rhythmusgitarren, federleichtem Background-Gesang und Liams markanter, unvergleichlicher Stimme. Auch live kann sich der eine Gallagher-Bruder mit seiner neu zusammengestellte Liveband sehen lassen. Sein Britpop ist ebenso stark wie der von Noel, stimmlich natürlich noch etwas mehr an Oasis und dabei modern und unaufgewärmt.

Imagine Dragons

Die Imagine Dragons sind endlich wieder in Deutschland zusehen und zwar optimistischer und vielseitiger als jemals zuvor. Nach Selbstfindungsphase von Sänger Dan Reynolds und nun noch Trennung von der Ehefrau, ist der Frontmann fitter und beliebter denn je. Das aktuelle Album „Evolve“ ist seit Juni 2017 auf dem Markt mit der Kernaussage, dass man an seinen Krisen wächst und durch sie stärker wird. Lebensfroh und lebendig statt düster und bedrückend, das ist das aktuelle Motto der vier US-Indie-Rocker. Als Headliner der Herzen begeistert die Band und vor allem ein fleischgewordener Traum von Reynolds, der fast unbekleidet, lediglich im knappen Sportdress und „oben ohne“ über die Bühne und auch mitten ins Publikum fegt. Musikalisch gibt es das, was man von den Imagine Dragons erwartet und noch mehr: innovativen und elektrisierenden Sound aus rhythmischen Indie-Riffs gepaart mit Synth-Flächen und dazu einem Chorus der das Zeug zu echten Hymnen hat. Ihrem Charthits „Thunder“, „Belieber“ oder „Whatever it Takes“ schlagen live tatsächlich ein wie ein Soundgewitter. Textsicher singt und bewegt sich eine schier endlose Masse an Menschen vor der Bühne und singt lauthals mit. Politische Statements zum aktuellen Welt-/Terrorgeschehen und der sympathische, bodenständige Charme des US-Quartetts bescheren eine volle Ladung Imagine Dragons-Sound aus den ganzen letzten Jahren ihres musikalischen Schaffens.

showtek

Die holländischen Brüder Sjoerd und Wouter Janssen sind in Sachen Techno, Hardstyle EDM und House absolute Könner und Kenner. Ob sie nun eigene Produktionen abfeuern oder mit Acts wie Elliphant, David Guetta, Moby oder Ms. Dynamite kollaborieren: Showtek wissen, wie man die Massen überzeugt und live vor der Perry’s Stage in Bewegung und die Zeigefinger in der Luft hält. Zuletzt haben sie beweisen das, in dem sie Mobys !“Natural Blues“ in die Jetztzeit übertragen und den eher besinnlichen Track in einen breitkreuzigen EDM-Killer verwandeln und mit David Guetta’s „Your Love“ einen Megahit feiern konnten.

kraftwerk 3d

Die Electro-Legenden Kraftwerk haben Musikgeschichte geschrieben. In den letzten Jahren haben sie ihre 3D-Multimediashow in den wichtigsten Kunstmuseen der Welt wie dem MoMA in New York, Tate Modern in London oder der Neuen Nationalgalerie in Berlin gezeigt. Exklusiv beim Lollapalooza Berlin 2018 bringen die Herren Ralf Hütter, Fritz Hilpert, Henning Schmitz und Falk Grieffenhagen ihre einzigartige Show nach Deutschland. Im Januar 2018 ist „3-D Der Katalog“ mit Live-Aufnahmen aller acht Kraftwerk-Alben für eine Grammy nominiert und dann für das beste Dance/Electronic Album ausgezeichnet wurden. Als finaler Act auf den Main Stages und auch als Headliner präsentieren Kraftwerk ein Meisterwerk aus ihrer fast 50-jährigen Schaffensgeschichte und eine perfektionistische Mutilmedia-Show. Die Band veröffentlicht keine neuen Songs mehr, macht aber nichts, denn genau die alten Werke und Kraftwerk-als-Kunstwerk sind es, die heute viele Zuschauer vor die Lollaberlin-Bühne locken und Gegenstand für den gutlaufenden Verkauf der Tagestickets für den Sonntag sind. Mit dreidimensionalen Effekten gespickt (dafür sind extra 3D-Brillen verteilt wurden) gibt es ein perfektes Best Of von Kraftwerk.

SXTN

Nura und Juju sind die Frontfrauen des Hip-Hop-Duos SXTN. Als weiblicher Pendant zu Aggro Berlin haben sich die zwei Berlinerinnen in den letzten Jahren einen Namen gemacht. Sie rappen und nehmen wie ihre männlichen Kollegen Haftbefehl oder Kool Savas kein Blatt vor den Mund. Mit ihren Texten, die nicht immer frauenfreundlich gehalten sind, finden die selbsternannten Fotzen aber vor allem bei der weiblichen Hörschaft Anklang. Entsprechend voll, ja schon fast überfüllt ist die Perry’s Stage am Sonntagabend. Jede Menge Mädels in den vorderen Reihen mit „SXTN“-Schriftzug auf der Stirn und keinerlei Skrupel, die provokanten Texte mitzugröhlen. Dass Frauen bei Texten wie „Hass Frau – du nichts, ich Mann“, der sie als reine Lustobjekte abstempelt lauthals mitgröhlen sieht man wirklich nicht alle Tage. Doch gerade durch diese Provokationen machen sind SXTN nun so bekannt (und beliebt?). Ihre Songs spiegeln ihr eigenes Leben wieder, mal wild, mal nachdenklich – aber ungefiltert und absolut ehrlich. SXTN sind sozusagen das Sprachrohr einer Generation, die sich keine Gedanken über Morgen machen will und nur den Moment in vollen Zügen auskostet.

kygo

Ähnlich wie am Vorabend ist auch der Andrang groß vor dem Olympiastadion für die Show des norwegischen DJs und Musikproduzent Kygo. Mit Einlass-Stop gibt es leider auch wieder ein wenige Frust bei den Fans. Es passen mit dem aktuellen Sicherheitskonzept aber nun mal nicht mehr als 25.000 Menschen vor die Perry’s Stage. Vielleicht lässt sich da im nächsten Jahr noch etwas verbessern. Mit seinen 27 Jahren ist Kygo die Karriereleiter schon sehr weit nach oben geklettert. Denn auf einem Level mit Kollege David Guetta am späten Abend, sogar als Rausschmeißer des Lollapalooza 2018 aufzulegen, das ist schon was. Bekannt ist er für seine gelungene musikalische Mischung, dem Tropical-House. Da doch ein wenige anders als seine Kollegen, gibt es bei ihm langsamere Beats und Steel-Drums. Auf seiner Soundcloud-Seite veröffentlichte er einige Remixes, mit denen er über 10 Millionen Aufrufe erreichte, seine YouTube Videos wurden sogar noch erfolgreicher. Avicii hat er glamourös bei der TomorrowWorld vertreten und auch sonst kann sich der attraktive junge DJ vor Aufträgen und vor allem vor weiblichen Fans kaum retten. Seine Hits, die auch Zusammenarbeit mit Imagine Dragons, Selena Gomez, uvm. entstanden oder der Remixe von Ed Sheeran’s „I See Fire“ haben inzwischen Kultstatus erreicht.

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