Roskilde Festival 2017 – So war der Freitag


Willkommen im Dreck! Der Regen ballert unerbittlich auf die Zelte. Warum soll man da aus dem Schlafsack rauskrabbeln? Aber das Beste am Festival ist ja das … Na? Das Festival! Aber bei diesem Mistwetter? Ja, trotzdem! Wir sind schließlich Norddeutsche und Elend hinsichtlich Wetter gewöhnt. Also raus. Mit dem Klapprad zum Duschcontainer. Defekt. Okay, jetzt ist alles egal. Schluck Kaffee und los.


Roskilde Festival 2018 Tickets + Infos:

’68

Wir haben uns in die Baracke “Gloria Stage” durchgekämpft. Mit Fahrrad geht vom Camp bis zum Festivalgelände nichts mehr. In diesem Schlamm macht sich bemerkbar, dass Fahrräder keine Traktionskontrolle haben. „Guitar and Drums attack on your Body and Soul“ war versprochen. Ja, definitiv! Wir sind begeistert. Die beiden US Amerikaner blasen uns das Hirn frei. Hier findet sich tatsachlich fast noch ein wenig Jazz hinsichtlich der Improvisationen im ansonsten knallhart durch gedroschenen Set. Wir werden alle großzügig zum nächsten Gig eingeladen. Nach Moskau. Allgemeine Heiterkeit in der Audience.

TIVOLI

Wahrscheinlich erleben wir hier einen der emotionalsten Momente des Festivals. Für dieses Konzert verließen die Musiker der Kopenhagener Philarmonie die Bühne und verstreuten sich mit ihren Instrumenten im Zuschauerbereich der Arena. Dirigiert von Nick Davies spielte das Orchester Stücke von Bach, Mozart, Prokofjew und vielen anderen. Für die Zuschauer ergab sich die ungewohnte Möglichkeit während des Konzertes zwischen den Musikern umherzugehen oder einfach irgendwo stehen bzw. sitzen zu bleiben und die außergewöhnliche Performance wirken zu lassen. Man konnte die eine oder andere Träne auch bei Zuschauern aus der Headbanger-Ecke sehen. Besonders bei Griegs „Morgenstimmung“ blieb bei kaum einem Skandinavier ein Auge trocken. Der Dauerregen plätscherte auf das Zeltdach der Arena und innen strahlte die Sonne – Danke! Copenhagen Phil! Ein perfekter Start in den Tag.

Of Mice and Men

Warum sich die fünf Amerikaner nach der gleichnamigen Novelle von John Steinbeck benannt haben bekommt man über den absolut professionell vorgetragenen California-Metalcore kaum auf die Reihe. Eventuell wegen der tragischen Handlung. Zumindest in den Lyriks und Songnamen wie „Pain“, „Contagious“ oder „Away“ klingt das an. Der Sänger der Band Austin Carlile kämpft mit andauernden Herzproblemen und wird seit November 2016 von Aaron Pauley vertreten. Dieser kam gut gelaunt, häufig und weit und supergezielt ausspuckend, auf die Bühne des Pavillion und startete ein irres Screaming.

Ohne viele Umstände startete in der Front Pit schon beim vierten Titel die erste Wall of Death. Da spätestens hieß es: Bloß raus hier mit der Kamera… Es folgten bis zum Ende des Konzertes ein Circle nach dem anderen (Warum eigentlich immer clockwise?). Die Jungens, und einige Mädchen, im Publikum drehten völlig frei und erfanden lustige neue Choreos. Nur ungern verließen wir am Ende das  Avalon. Das lag nicht nur am Dauerregen vor dem Zelt.

Against Me!

„Punk, Rock’n’Roll,  Powerpop and more“ ist laut Festivalguide die Definition des Against Me! Stils. Und genau so crossovert es in der Arena. Vor 10 Jahren spielte die Band mit Frontmann Tom Gabel auf dem Roskilde Festival, nun mit Laura Jane Grace. Anderer Name, gleiche Person, the gender has changed.

Da der Regen immer stärker wurde beschlossen wir den hundertfünfzigsten Jahrestag von Kanada um einen Tag vorzuziehen und öffneten den hierfür direkt importierten Whisky (Dank an Falk from Canada) bereits am Freitag. Angenehme Wärme und eine wohlige Unschärfe ergriffen uns. Auf Kanada!

Wir brechen doch nochmal auf zu einem der Höhepunkte. Den Foo Fighters. Die Kamera bleibt im Camp. Alles ist nass, die Objektive beschlagen. Mögen andere bei den nächsten Konzerten Fotos machen.

FOO fighters

Trotz des katastrophalen Wetters sind bis Freitagnacht kaum Leute abgereist. Das lag sicher auch an der Vorfreude auf die Foo Fighters. Und das Warten im Matsch hatte sich wirklich gelohnt. Mit ihren rauen und energiegeladenen Songs haben sie alle Generationen im Publikum von gut 70.000 Leuten mitgenommen. Auch in den hinteren Reihen wurde schön im Matsch gehopst. Das wäre eigentlich ein würdiges Abschlusskonzert gewesen. Aber es war ja erst Freitag. Die Bandpräsentation durch  Sänger Dave Grohl geriet zu einer witzigen Abfolge von Rockcovern. Besonders der Bassist Nate Mendel mit seiner Interpretation des „Money“-riffs von Pink Floyd sorgte für Gänsehaut.

Fast genau auf den Tag genau vor 25 Jahren stand Dave Grohl mit Nirvana hier 1992 auf der Bühne. „Damals war ich jung, wie ihr!“ erzählt er lachend. Dieses Konzert war eine deutliche Gegenthese zum Todgesang auf die  Rockmusik. Diese Stimmung, das freundliche Geschubse und das Mitsingen zu „Times like these“ oder „Learn to fly“, Best of you“ uvm. mit so vielen Leuten aus ganz Europa – das ist vielleicht nicht total hip aber sehr wichtig. Stadionrock kann sehr gut funktionieren. Die Fighters sind im Oktober in der Olympiahalle in Berlin …

FOO FIGHTERS – Live bei Rock am Ring 2015, Deutschland

lorde

Ella Marija Lani Yelich-‚Connor ist gerade zwanzig und hat vor vier Jahren ihre allerersten Auftritte absolviert. Jetzt füllt sie die komplette Arena und alle Wiesen im Umfeld obwohl im Hintergrund noch die Foo Fighters vom Orange zu hören sind. Die Aufnahme durch das Publikum war außerordentlich warmherzig und aufmerksam. Mir war noch nicht ganz klar warum sie zu ihrem schwarzen Ballkleid helle Sneakers trug aber das klärte sich schnell. Zu jedem Song lief sie pausenlaus die ganze Bühne ab. Unvergessen bleibt der Moment als sie sich auf den Rand der Bühne setzte, das Licht ging aus und der balladeske Song „Liability“ wurde nur von vielen tausend Feuerzeugen (oder Smartphones) im Publikum illuminiert. Sie war eine winzige Insel in einem Meer aus Lichtpunkten. Mit wackliger Stimme beendete sie den Song mit „Denmark, I love you“.

LORDE – Live beim Hurricane Festival 2017, Deutschland

icona pop

Zum Schluss für den Freitag ist Party Hard angesagt. Also um 2:00 noch ab zu den beiden Schwedinnen von Icona Pop. Das Zelt hüpft und wackelt zu hochfrequentem Pop. Glückliches und durchgeregnetes Partyvolk liegt sich in den Armen. Den letzten Song mit Ohrwurmgefahr hört man noch Stunden später in den Camps aus den Zelten … I crashed my car into a Bridge … I don’t care, I love it, I don’t care …