Rock am Ring 2025 am Freitag: Jubiläumsauftakt mit Überraschungen und Eskalationen


Rock am Ring 2025 am Freitag – das 40. Jubiläum
Rock am Ring 2025 starte am Freitag, den 6. Juni in eine neue Runde und begann die Feier des 40. Jubiläums. (Bild: stagr / Julia Langmaack)

Wer am Freitagvormittag noch gemütlich im Camp sein Dosenbier zum Frühstück kredenzen will, wird spätestens gegen 13:30 Uhr jäh aus dem Pavillon gerissen – denn auf der Utopia Stage fällt der Startschuss zum 40. Rock am Ring mit einem Knall, der es in sich hat. Und zwar gleich dreifach: Die ersten drei Slots auf der Hauptbühne sind Secret Acts, teils erst wenige Minuten vor Showbeginn bekannt gegeben. Was dann folgt, ist ein wilder Ritt durch Genres, Fanlager und Stimmungen – kurz: ein Auftakt, wie er einem Festivaljubiläum dieser Größenordnung mehr als würdig ist.

Denn mal ehrlich: 40 Jahre Rock am Ring, das ist nicht nur irgendeine Zahl. Das ist Festivalgeschichte pur – aus Bier, Blut und Bass gebaut. Seit 1985 trifft sich am Nürburgring das Who’s Who der internationalen Rock- und Metalwelt, aber auch Pop, Punk, Elektro und alles dazwischen hat hier seine Bühnenbretter zerschwitzt. Kein anderes deutsches Festival kann auf eine solche Kontinuität, solche Kult-Momente und eine solch treue Fanbase zurückblicken. Und was wäre ein besserer Ort für diese vier Jahrzehnte Ausnahmezustand als das berüchtigte Asphaltoval in der Eifel – mit seiner ganz eigenen Mischung aus Motorsport-Magie, Wetterroulette und Dixi-Charme.

Zurück zum Freitag: Dass Ingo Donot von den Donots, Rampensau und Stimme der Szene, als Host den Tag und die Besucher begrüsst, ist ein weiteres Geschenk an die alle Ringrocker. Charmant, witzig, mit dem perfekten Gespür für Timing und Publikum, ist er nicht bloß Moderator, sondern vibrierender Teil des Line-ups – inklusive überraschender Ansage-Interaktionen und einer Crowd, die ihn feiert, als wäre er selbst Headliner.

Und dann – Bühne frei für die großen Unbekannten. Wer sich in der ersten Reihe postiert hat, ohne zu wissen, wen er da gleich feiern würde, wird mit einem echten Triple-Treat belohnt. Mit dieser wilden Mischung aus Humor, Härte und Hymnen ist der Ton gesetzt für das, was noch kommen sollte. Tag 1 bei Rock am Ring 2025 zeigt eindrucksvoll: Dieses Festival ist kein altgedienter Veteran im Ruhestand, sondern ein lebendiger Gigant, der mit jeder neuen Ausgabe seine Legende weiterschreibt.

Electric Callboy

Da ist er nun, der große, geheime Secret Act: Electric Callboy. Passend zum 40. Jubiläum von Rock am Ring pulverisieren sie am frühen Freitagnachmittag mit einem glitzernden Mix aus Metalcore, Techno und 90s-Trashpop regelrecht die Bühne – und das noch vor dem ersten Bier. Die Band um die Frontmänner Kevin Ratajczak und Nico Sallach ist bekannt für virale Hits wie „Hypa Hypa“, „We Got the Moves“ oder „Pump It“, die sie mit absurdem Humor und gnadenloser Live-Energie servieren. Was nach Gag klingt, ist musikalisch top produziert, live punktgenau gespielt und visuell ein Rausch aus Pyro, Konfetti und Neon. Die Crowd feiert zwischen Circle Pits und Dance-Offs eine kollektive Euphorie, wie man sie sonst eher um Mitternacht erwartet. Electric Callboy geben Vollgas und zeigen eindeutig, sie sind die vielleicht unterhaltsamste Liveband Deutschlands – und verdammt ernst zu nehmen, wenn es um Showqualität geht.

Aufgrund von Foto-Restriktionen war es uns leider nicht möglich Electric Callboy bei Rock am Ring 2025 zu fotografieren. 

House of Protection

House of Protection haben am frühen Freitagnachmittag auf der Mandora Stage mit einem explosiven Set die Bühne erobert und dabei Hardcore, Punk und Electronica zu einem mitreißenden Klanggewitter verschmolzen. Das Duo, bestehend aus Stephen Harrison (Gitarre, Gesang) und Aric Improta (Schlagzeug, Gesang), beide ehemalige Mitglieder von Fever 333, präsentierte Songs aus ihren EPs GALORE und Outrun You All, darunter „It’s Supposed to Hurt“ und „Pulling Teeth“, die für ihre energiegeladenen Performances und innovativen Musikvideos bekannt sind. Mit ihrer unkonventionellen Instrumentierung und der intensiven Bühnenpräsenz schufen sie eine Atmosphäre, die das Publikum in ihren Bann zog und die Grenzen zwischen Künstler und Zuschauer verschwimmen ließ. Die Kombination aus musikalischer Präzision und visueller Inszenierung machte ihren Auftritt zu einem der Highlights des Festivals. House of Protection haben eindrucksvoll bewiesen, dass sie zu den spannendsten Newcomern der aktuellen Musikszene gehören.

Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys

Der zweite, bis kurz vorher geheime Slot für die Utopia Stage, gehört Roy Bianco und seinen Abbrunzati Boys, die binnen weniger Sekunden das Infield vor der Utopia Stage in eine italienische Fiesta verwandeln. Die Band kennt man für aufgrund ihres humorvollen Mix aus Italo-Schlager und Disco, mit dem die Kombo das Publikum samt ihrer eingängigen Melodien und charmanten Texte zum Tanzen und Mitsingen bringt. Roy Bianco, begleitet von den Abbrunzati Boys, bestehend aus Paolo, Bungo Jonas, Rico, Ray und Hank, beweisen einmal mehr, warum sie Kultstatus genießen. Mit Hits wie „La Dolce Vita“ und „Ciao, Ciao Amore“ feierten sie bereits Erfolge und bauten sich eine treue Fangemeinde auf. Dieser RaR-Auftakt zum 40. Jubiläum ist ein wirklich ausgelassenes Spektakel, das durch seine fröhliche Atmosphäre und den unnachahmlichen Stil der Band beesticht.

Frog Leap

Wenn Leo Moracchioli und seine Metal-Cover-Truppe Frog Leap die Bühne entern, bleibt kein Klassiker verschont – so auch am Freitagnachmittag bei Rock am Ring 2025. Mit wuchtigen Gitarrenriffs, einer ordentlichen Portion Humor und Frontfrau Rabea Massaad am Mikro verwandelt die Band Hits wie Hello von Adele oder Africa von Toto in energiegeladene Moshpit-Magnete. Was als YouTube-Phänomen begonnen hat, hat sich längst zur ernstzunehmenden Live-Macht gemausert: Leo an der Gitarre, Rabea am Gesang, unterstützt von einer hochkarätigen Truppe aus Studioprofis, liefern eine Show, die irgendwo zwischen Metal-Parodie und ehrlicher Rock-Hommage tanzt. Ihr aktuelles Album Heavy Hit Parade strotzt nur so vor kreativem Wahnsinn und lässt das Ring-Publikum kollektiv grinsen und headbangen. Besonders ist das Konzert nicht nur wegen der explosiven Setlist, sondern auch wegen der charmanten Interaktionen mit dem Publikum – wer braucht schon Pyro, wenn man ein Publikum hat, das Sia schreit und Slayer bekommt? Kurzum: Wer Frog Leap live verpasst, hat nicht nur den Humor, sondern auch den Groove verloren.

Knocked Loose

Knocked Loose legen als dritter Secret Act auf der Utopia Stage von Rock am Ring 2025 ein brachiales Hardcore-Feuer, das selbst gestandene Metalheads ins Staunen einfach mitreißt. Das Quintett aus Kentucky – bestehend aus Bryan Garris (Gesang), Isaac Hale (Leadgitarre), Nicko Calderon (Rhythmusgitarre), Kevin Otten (Bass) und Kevin „Pacsun“ Kaine (Schlagzeug) – präsentiert eine explosive Mischung aus Metalcore und Hardcore Punk, die durch ihre kompromisslose Energie und technische Präzision besticht. Mit Songs wie „Suffocate“ (feat. Poppy), das ihnen eine Grammy-Nominierung einbrachte, und „Blinding Faith“ vom aktuellen Album You Won’t Go Before You’re Supposed To demonstrieren sie eindrucksvoll ihre musikalische Weiterentwicklung und Innovationskraft. Die Freude über ihren bis vor kurzem noch geheim gehaltenen Auftritt gipfelt schnell in einer kollektiven Ekstase im Publikum, das sich begeistert in Circle Pits und Moshpits stürzt. Knocked Loose legen mit diesem Auftritt nicht nur die Messlatte für Secret Acts höher, sondern zeigen, dass sie zu den spannendsten und kraftvollsten Live-Bands der aktuellen Hardcore-Szene gehören.

Myles Kennedy

Myles Kennedy zeigt am Freitagnachmittag bei Rock am Ring 2025 einmal mehr, dass er zu den charismatischsten Stimmen im Rockbusiness zählt – ganz gleich, ob solo, mit Alter Bridge oder Gitarrengott Slash (von Guns’n’Roses). Mit seiner unverwechselbaren Mischung aus Hard Rock, Blues und introspektivem Songwriting zieht er das Publikum schon mit den ersten Tönen von Year of the Tiger in seinen Bann. Dabei ist die Setlist eine fein kuratierte Reise durch seine Solo-Karriere, garniert mit ein paar Alter-Bridge-Klassikern, bei denen die Fans textsicher mit einstimmten. Kennedy zeigt sich gewohnt bescheiden, aber stimmlich in Bestform – kraftvoll, klar, mit Gänsehaut-Garantie. Besonders bewegend: Die Live-Premiere mehrerer Songs vom aktuellen Album The Art of Letting Go, das sich erneut durch Tiefgang und musikalische Finesse auszeichnet. Keine Show für Pyro-Fetischisten, aber ein Fest für Liebhaber echter Musik mit Seele. Wer auf Gitarren, Gefühl und große Stimmen steht, war hier goldrichtig.

Mia Morgan

Wer sagt, Goth und Pop passen nicht zusammen, hat Mia Morgan noch nie live erlebt – wie am Freitagnachmittag bei Rock am Ring 2025, wo sie die Mandora Stage in eine düster-glitzernde Parallelwelt verwandelt. Mit Songs wie Wiedergänger und Waveboy bringt sie ihren Mix aus NDW, Shoegaze und Emo-Pop gewohnt charmant und mit scharfem Augenzwinkern auf die Bühne. Ihre Texte balancieren irgendwo zwischen Tagebucheintrag und Popkulturreferenz, während Synths und Gitarren melancholisch um die Wette flirren. Live zeigt sie sich rotzig, nahbar und mit einer Band im Rücken, die den düsteren Vibe perfekt einfing. Besonders ist die Show nicht nur wegen der atmosphärischen Dichte, sondern auch wegen der kleinen Ansagen, die das Publikum direkt ins Herz treffen. Mit ihrem aktuellen Album Hungerturm, das sich als kluger Kommentar auf emotionale Leere und moderne Beziehungen versteht, hat Mia Morgan endgültig ihren Platz im Indie-Olymp gefestigt. Ein Auftritt, der beweist: Traurigkeit kann verdammt tanzbar sein.

Weezer

Freitagabend bei Rock am Ring 2025 und plötzlich fühlt sich alles nach College, Converse und Musikvideos auf MTV an – Weezer stehen auf der Bühne und liefern den Soundtrack für nostalgische Indie-Herzen. Mit Klassikern wie Buddy Holly, Island in the Sun und natürlich Say It Ain’t So brachte Rivers Cuomo samt Band (Brian Bell, Patrick Wilson, Scott Shriner) eine ganze Generation zum kollektiven Mitsingen. Ihre Mischung aus Powerpop, Nerd-Charme und crunchy Gitarrenriffs ist zeitlos und wirkt auch nach drei Jahrzehnten Bandgeschichte alles andere als eingerostet. Besonders charmant: die selbstironischen Ansagen Cuomos und ein überraschend emotionales Pork and Beans, das das Publikum euphorisch feiert. Dass Weezer mit dem aktuellen Album Vanicula wieder stärker auf Gitarren statt Experimente setzen, zeigt sich live als absoluter Glücksgriff. Ein Auftritt wie ein Mixtape aus 90s-Glanz, Humor und ganz viel Herz. Wer da nicht wenigstens ein bisschen mitschunkelt, hat vermutlich nie ein Mixtape besessen.

Poppy

Poppy verwandelt die Bühne in ein dystopisches Pop-Metal-Theater zwischen Cyber-Glam und Hardcore-Abriss. Die Künstlerin, bekannt für ihren genreübergreifenden Mix aus Industrial, Metal, J-Pop und avantgardistischem Artpop, zieht das Publikum mit Songs wie Concrete, I Disagree und X sofort in ihren bizarr-faszinierenden Bann. Ihre Show ist so kunstvoll inszeniert wie kompromisslos laut – ein wuchtiges Soundgewitter mit süßem Zuckerguss und düsterer Energie. Besonders beeindruckend ist Poppys Präsenz: mal eiskalt-entrückt, mal punkig-aufbegehrend, immer absolut kontrolliert im Chaos. Mit ihrem aktuellen Album Zig, das elektronische Experimente mit harten Riffs und poppigem Understatement verbindet, zeigt sie erneut, wie wandlungsfähig und mutig moderne Alternative-Musik sein kann. Wer denkt, am Nachmittag gäbe es bei Rock am Ring nur Aufwärmprogramm, wird hier gnadenlos eines Besseren belehrt. Poppy ist nicht nur ein Set – sie ist ein Statement.

Aufgrund von Foto-Restriktionen war es uns leider nicht möglich Poppy bei Rock am Ring 2025 zu fotografieren. 

A Day to Remember

Die Sonne geht unter und A Day to Remember reißen die Hauptbühne mit einem Sound ab, der irgendwo zwischen Pop-Punk-Party und Metalcore-Beatdown pendelt. Die Jungs um Frontmann Jeremy McKinnon, unterstützt von Neil Westfall, Alex Shelnutt und Kevin Skaff, lieferten eine Show, die gleichzeitig zum Pogen, Mitsingen und Schulter-an-Schulter-Mitfühlen einlud. Hits wie All I Want, If It Means a Lot to You und The Downfall of Us All sorgten für kollektive Flashbacks und einen Circle Pit, der sich gewaschen hat. Besonders eindrucksvoll: der nahtlose Wechsel zwischen hymnischem Stadion-Refrain und brachialem Breakdown – das Markenzeichen der Band seit ihren frühen Erfolgen. Mit ihrem aktuellen Album No Winners, Just Survivors zeigen sie sich textlich reifer, aber musikalisch so energiegeladen wie eh und je. Das Publikum? Voller Energie, textsicher und bei jeder Zeile dabei. Eine Liveshow, die beweist: A Day to Remember sind nicht nur der Soundtrack für gebrochene Herzen, sondern auch für kollektive Eskalation.

Aufgrund von Foto-Restriktionen war es uns leider nicht möglich A Day to Remember bei Rock am Ring 2025 zu fotografieren. Hier seht ihr ADTR im Jahr 2023 bei einer Show in der Schleyerhalle Sturttgart. Foto: stagr/Mike Kunz

Frank Turner & The Sleeping Souls

Frank Turner sorgte mit seiner Band The Sleeping Souls für das wohl herzlichste Moshpit des Tages – irgendwo zwischen Folk-Punk, Stadionrock und Kneipenchören. Mit Songs wie Recovery, Photosynthesis und The Gathering brachte Turner sein Publikum zum Tanzen, Mitsingen und kurz innehalten, wenn’s ans Eingemachte ging. Seine Musik lebt von ehrlichen Texten, hymnischen Refrains und einer unerschütterlichen DIY-Attitüde, die auch nach über 2500 Shows nicht an Strahlkraft verloren hat. Die Sleeping Souls lieferten tight wie immer ab, während Turner selbst zwischen Rampensau und Geschichtenerzähler wechselte. Besonders wurde das Konzert durch die Energie, die trotz Tageslichtfestival-Atmosphäre plötzlich wie in einem verschwitzten Club wirkte – persönlich, politisch, leidenschaftlich. Mit dem aktuellen Album Undefeated im Gepäck, das sowohl musikalisch als auch textlich rauer und direkter daherkommt, zeigte Turner einmal mehr, warum er einer der besten Live-Performer seiner Szene ist. Wer da nicht mitgesungen hat, war entweder heiser – oder seelenlos.

Drangsal

Drangsal tritt gegen 19:15 Uhr auf der Orbit Stage auf und bringt mit seinem eigenwilligen Mix aus Post-Punk, NDW und Pop-Dramatik ordentlich Bewegung in den sonst so gemütlichen Festivalstart. Max Gruber, wie der Künstler bürgerlich heißt, zelebriert sein Außenseitertum mit Songs wie Allan Align, Turmbau zu Babel und Urlaub von mir – mal tanzbar, mal tiefgründig, aber immer auf den Punkt. Seine Musik ist scharfzüngig, theatralisch und gleichzeitig erstaunlich eingängig – irgendwo zwischen Falco, Tocotronic und Depeche Mode. Live wirkte Drangsal charismatisch wie eh und je, mit einem Hang zum pathetischen Monolog und einer Band im Rücken, die den düsteren Glanz seiner Songs perfekt transportiert. Besonders ist die Show durch ihre Mischung aus Düsternis, Humor und einem Hauch Größenwahn – genau das, was man von einem guten Drangsal-Gig erwartet. Mit dem aktuellen Album Exit Strategie, das gewohnt klug zwischen Selbstironie und Selbstzweifel pendelt, zeigte er einmal mehr: Deutschpop geht auch in geil.

Biffy Clyro

Als Biffy Clyro am Freitagabend die Bühne betraten, wurde schnell klar: Hier stehen keine Schöngeister, sondern Soundarchitekten mit Rock im Blut. Das Trio um Simon Neil sowie die Johnston-Brüder James und Ben lieferte ein dynamisches Set voller emotionaler Wucht, technischer Präzision und schweißtreibender Energie. Mit Klassikern wie Mountains, Bubbles und dem epischen Many of Horror rissen sie das Publikum zwischen Gitarrenwänden und feinen Melodien förmlich mit. Was die Schotten seit Jahren auszeichnet, ist ihr Spagat zwischen radiotauglichem Alternative-Rock und proggigen Ausbrüchen – und genau das machten sie live zur großen Kunst. Besonders war der Auftritt auch durch die fast schon hypnotische Bühnenpräsenz und das Zusammenspiel, das blind zu funktionieren scheint. Mit ihrem aktuellen Album A Devastating Liberation im Gepäck zeigten sie sich textlich tiefgründiger und musikalisch experimentierfreudig wie eh und je. Biffy Clyro live? Wie ein Vulkanausbruch in Zeitlupe – laut, schön und überwältigend.

Feine Sahne Fischfilet

Feine Sahne Fischfilet sorgten den politisch lautesten Auftritt des Wochenendes. Mit ihrer explosiven Mischung aus Punkrock, Bläsern und klarer Haltung verwandelten Jan “Monchi” Gorkow und seine Band – bestehend aus Christoph Sell, Kai Irrgang, Olaf Ney, Jacobus North und Max Bobzin – das Infield in ein Meer aus Fäusten, Fahnen und Feuerzeugen. Songs wie Komplett im Arsch, Wut und Zuhause wurden frenetisch gefeiert, während zwischen den Songs klare Kante gegen Rechts und für Solidarität gezeigt wurde. Besonders war die Show nicht nur wegen ihrer Energie, sondern auch wegen der ehrlichen, nahbaren Art, mit der Monchi das Publikum erreichte. Ihr aktuelles Album Alles glänzt stand im Mittelpunkt der Setlist und bewies live einmal mehr, wie gut Punk mit Herz und Haltung funktionieren kann. Feine Sahne live? Laut, links und einfach lebenswichtig.

Adam Angst

Von Adam Angst gibt es keine Aufwärmphase – direkt rein ins Brett mit bitterbösem Witz, scharfem Gesellschaftskommentar und brachialem Punkrock. Frontmann Felix Schönfuss spuckt seine Texte wie eh und je mit messerscharfer Präzision ins Mikro, während die Band ein Soundgewitter auffährt, das irgendwo zwischen Wut, Ironie und Stadiontauglichkeit pendelt. Songs wie Splitter von Granaten, Alexa und Wir werden alle sterben werden vom Publikum gefeiert wie Protesthymnen mit Circlepit-Garantie. Adam Angst steht für kluge Texte mit Haltung – laut, direkt und unbequem – und genau das macht den Auftritt so besonders in einem Festival-Line-up voller Harmoniebedürfnis. Mit ihrem aktuellen Album Twist, das musikalisch abwechslungsreicher, aber textlich nicht weniger pointiert daherkommt, treffen sie den Nerv der Zeit und der Fans. Wer glaubt, Punk sei tot, hat Adam Angst definitiv noch nicht live gesehen.

The Prodigy

The Prodigy beweisen als einer der Headliner des diesjährigen Festivals eindrucksvoll, dass sie auch ohne den 2019 verstorbenen Keith Flint noch immer ein elektrisierendes Live-Erlebnis liefern können. Auch wenn er eindeutig fehlt, der Band als auch der Fangemeinde. Liam Howlett und Maxim Reality bringen die Menge mit brachialen Beats, strobo-getränkten Visuals und kompromisslosem Rave-Punk-Sound zum Kochen. Klassiker wie Firestarter, Breathe und Smack My Bitch Up werden als wuchtige Huldigung an Flints Vermächtnis ins Publikum gefeuert – laut, roh und mit Gänsehautmomenten. Was The Prodigy ausmacht, ist ihre unverwechselbare Mischung aus aggressivem Elektro, Punk-Attitüde und der Fähigkeit, jede Bühne in einen dystopischen Club zu verwandeln. Die Show ist ein energiegeladener Ritt durch drei Jahrzehnte Bandgeschichte – brachial, nostalgisch und gleichzeitig vollkommen im Hier und Jetzt. Ihr aktuelles Album Rebel Frequency knüpft genau da an und liefert neue Tracks, die live ebenso heftig zünden wie die Klassiker. Wer denkt, nach Flints Tod sei Schluss – wird eines Besseren belehrt: The Prodigy leben, und wie.

Bring me the Horizon

BMTH liefern am späten Abend eine Show ab, die irgendwo zwischen Endzeitstimmung und Stadion-Ekstase oszilliert – visuell brachial, musikalisch genregrenzenignorierend. Oli Sykes und seine Bandkollegen Lee Malia, Jordan Fish, Matt Kean und Matt Nicholls zeigen einmal mehr, warum sie vom Deathcore-Geheimtipp zur Genre-definierenden Rock-Maschine geworden sind. Mit Hits wie Can You Feel My Heart, Drown und MANTRA reissen sie die Menge mit und kombinieren Screams, Pop-Hooks und Elektroelemente zu einem Soundgewitter mit Gänsehautgarantie. Besonders ist die Show durch ihre cineastische Inszenierung – LED-Hölle, dystopische Visuals und ein Publikum, das jede Zeile mitbrüllt. Das aktuelle Album POST HUMAN: NeX GEn steht im Fokus und beweist live, wie konsequent sich die Band weiterentwickelt, ohne ihre Wurzeln zu vergessen. Ein Abriss mit Anspruch – BMTH bleiben eine Klasse für sich.

Aufgrund von Foto-Restriktionen war es uns leider nicht möglich Bring me the Horizon bei Rock am Ring 2025 zu fotografieren. Hier seht ihr BMTH im Jahr 2019 bei Rock am Ring. Foto: stagr/Julia Langmaack