Wer am Freitagvormittag noch gemütlich im Camp sein Dosenbier zum Frühstück kredenzen will, wird spätestens gegen 13:30 Uhr jäh aus dem Pavillon gerissen – denn auf der Utopia Stage fällt der Startschuss zum 40. Rock am Ring mit einem Knall, der es in sich hat. Und zwar gleich dreifach: Die ersten drei Slots auf der Hauptbühne sind Secret Acts, teils erst wenige Minuten vor Showbeginn bekannt gegeben. Was dann folgt, ist ein wilder Ritt durch Genres, Fanlager und Stimmungen – kurz: ein Auftakt, wie er einem Festivaljubiläum dieser Größenordnung mehr als würdig ist.
Denn mal ehrlich: 40 Jahre Rock am Ring, das ist nicht nur irgendeine Zahl. Das ist Festivalgeschichte pur – aus Bier, Blut und Bass gebaut. Seit 1985 trifft sich am Nürburgring das Who’s Who der internationalen Rock- und Metalwelt, aber auch Pop, Punk, Elektro und alles dazwischen hat hier seine Bühnenbretter zerschwitzt. Kein anderes deutsches Festival kann auf eine solche Kontinuität, solche Kult-Momente und eine solch treue Fanbase zurückblicken. Und was wäre ein besserer Ort für diese vier Jahrzehnte Ausnahmezustand als das berüchtigte Asphaltoval in der Eifel – mit seiner ganz eigenen Mischung aus Motorsport-Magie, Wetterroulette und Dixi-Charme.
Zurück zum Freitag: Dass Ingo Donot von den Donots, Rampensau und Stimme der Szene, als Host den Tag und die Besucher begrüsst, ist ein weiteres Geschenk an die alle Ringrocker. Charmant, witzig, mit dem perfekten Gespür für Timing und Publikum, ist er nicht bloß Moderator, sondern vibrierender Teil des Line-ups – inklusive überraschender Ansage-Interaktionen und einer Crowd, die ihn feiert, als wäre er selbst Headliner.
Und dann – Bühne frei für die großen Unbekannten. Wer sich in der ersten Reihe postiert hat, ohne zu wissen, wen er da gleich feiern würde, wird mit einem echten Triple-Treat belohnt. Mit dieser wilden Mischung aus Humor, Härte und Hymnen ist der Ton gesetzt für das, was noch kommen sollte. Tag 1 bei Rock am Ring 2025 zeigt eindrucksvoll: Dieses Festival ist kein altgedienter Veteran im Ruhestand, sondern ein lebendiger Gigant, der mit jeder neuen Ausgabe seine Legende weiterschreibt.
Electric Callboy
Da ist er nun, der große, geheime Secret Act: Electric Callboy. Passend zum 40. Jubiläum von Rock am Ring pulverisieren sie am frühen Freitagnachmittag mit einem glitzernden Mix aus Metalcore, Techno und 90s-Trashpop regelrecht die Bühne – und das noch vor dem ersten Bier. Die Band um die Frontmänner Kevin Ratajczak und Nico Sallach ist bekannt für virale Hits wie „Hypa Hypa“, „We Got the Moves“ oder „Pump It“, die sie mit absurdem Humor und gnadenloser Live-Energie servieren. Was nach Gag klingt, ist musikalisch top produziert, live punktgenau gespielt und visuell ein Rausch aus Pyro, Konfetti und Neon. Die Crowd feiert zwischen Circle Pits und Dance-Offs eine kollektive Euphorie, wie man sie sonst eher um Mitternacht erwartet. Electric Callboy geben Vollgas und zeigen eindeutig, sie sind die vielleicht unterhaltsamste Liveband Deutschlands – und verdammt ernst zu nehmen, wenn es um Showqualität geht.
Aufgrund von Foto-Restriktionen war es uns leider nicht möglich Electric Callboy bei Rock am Ring 2025 zu fotografieren.
House of Protection
House of Protection haben am frühen Freitagnachmittag auf der Mandora Stage mit einem explosiven Set die Bühne erobert und dabei Hardcore, Punk und Electronica zu einem mitreißenden Klanggewitter verschmolzen. Das Duo, bestehend aus Stephen Harrison (Gitarre, Gesang) und Aric Improta (Schlagzeug, Gesang), beide ehemalige Mitglieder von Fever 333, präsentierte Songs aus ihren EPs GALORE und Outrun You All, darunter „It’s Supposed to Hurt“ und „Pulling Teeth“, die für ihre energiegeladenen Performances und innovativen Musikvideos bekannt sind. Mit ihrer unkonventionellen Instrumentierung und der intensiven Bühnenpräsenz schufen sie eine Atmosphäre, die das Publikum in ihren Bann zog und die Grenzen zwischen Künstler und Zuschauer verschwimmen ließ. Die Kombination aus musikalischer Präzision und visueller Inszenierung machte ihren Auftritt zu einem der Highlights des Festivals. House of Protection haben eindrucksvoll bewiesen, dass sie zu den spannendsten Newcomern der aktuellen Musikszene gehören.
Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys
Der zweite, bis kurz vorher geheime Slot für die Utopia Stage, gehört Roy Bianco und seinen Abbrunzati Boys, die binnen weniger Sekunden das Infield vor der Utopia Stage in eine italienische Fiesta verwandeln. Die Band kennt man für aufgrund ihres humorvollen Mix aus Italo-Schlager und Disco, mit dem die Kombo das Publikum samt ihrer eingängigen Melodien und charmanten Texte zum Tanzen und Mitsingen bringt. Roy Bianco, begleitet von den Abbrunzati Boys, bestehend aus Paolo, Bungo Jonas, Rico, Ray und Hank, beweisen einmal mehr, warum sie Kultstatus genießen. Mit Hits wie „La Dolce Vita“ und „Ciao, Ciao Amore“ feierten sie bereits Erfolge und bauten sich eine treue Fangemeinde auf. Dieser RaR-Auftakt zum 40. Jubiläum ist ein wirklich ausgelassenes Spektakel, das durch seine fröhliche Atmosphäre und den unnachahmlichen Stil der Band beesticht.
Frog Leap
Wenn Leo Moracchioli und seine Metal-Cover-Truppe Frog Leap die Bühne entern, bleibt kein Klassiker verschont – so auch am Freitagnachmittag bei Rock am Ring 2025. Mit wuchtigen Gitarrenriffs, einer ordentlichen Portion Humor und Frontfrau Rabea Massaad am Mikro verwandelt die Band Hits wie Hello von Adele oder Africa von Toto in energiegeladene Moshpit-Magnete. Was als YouTube-Phänomen begonnen hat, hat sich längst zur ernstzunehmenden Live-Macht gemausert: Leo an der Gitarre, Rabea am Gesang, unterstützt von einer hochkarätigen Truppe aus Studioprofis, liefern eine Show, die irgendwo zwischen Metal-Parodie und ehrlicher Rock-Hommage tanzt. Ihr aktuelles Album Heavy Hit Parade strotzt nur so vor kreativem Wahnsinn und lässt das Ring-Publikum kollektiv grinsen und headbangen. Besonders ist das Konzert nicht nur wegen der explosiven Setlist, sondern auch wegen der charmanten Interaktionen mit dem Publikum – wer braucht schon Pyro, wenn man ein Publikum hat, das Sia schreit und Slayer bekommt? Kurzum: Wer Frog Leap live verpasst, hat nicht nur den Humor, sondern auch den Groove verloren.
Knocked Loose
Knocked Loose legen als dritter Secret Act auf der Utopia Stage von Rock am Ring 2025 ein brachiales Hardcore-Feuer, das selbst gestandene Metalheads ins Staunen einfach mitreißt. Das Quintett aus Kentucky – bestehend aus Bryan Garris (Gesang), Isaac Hale (Leadgitarre), Nicko Calderon (Rhythmusgitarre), Kevin Otten (Bass) und Kevin „Pacsun“ Kaine (Schlagzeug) – präsentiert eine explosive Mischung aus Metalcore und Hardcore Punk, die durch ihre kompromisslose Energie und technische Präzision besticht. Mit Songs wie „Suffocate“ (feat. Poppy), das ihnen eine Grammy-Nominierung einbrachte, und „Blinding Faith“ vom aktuellen Album You Won’t Go Before You’re Supposed To demonstrieren sie eindrucksvoll ihre musikalische Weiterentwicklung und Innovationskraft. Die Freude über ihren bis vor kurzem noch geheim gehaltenen Auftritt gipfelt schnell in einer kollektiven Ekstase im Publikum, das sich begeistert in Circle Pits und Moshpits stürzt. Knocked Loose legen mit diesem Auftritt nicht nur die Messlatte für Secret Acts höher, sondern zeigen, dass sie zu den spannendsten und kraftvollsten Live-Bands der aktuellen Hardcore-Szene gehören.
Myles Kennedy
Mia Morgan
Weezer
Poppy
Aufgrund von Foto-Restriktionen war es uns leider nicht möglich Poppy bei Rock am Ring 2025 zu fotografieren.
A Day to Remember
Die Sonne geht unter und A Day to Remember reißen die Hauptbühne mit einem Sound ab, der irgendwo zwischen Pop-Punk-Party und Metalcore-Beatdown pendelt. Die Jungs um Frontmann Jeremy McKinnon, unterstützt von Neil Westfall, Alex Shelnutt und Kevin Skaff, lieferten eine Show, die gleichzeitig zum Pogen, Mitsingen und Schulter-an-Schulter-Mitfühlen einlud. Hits wie All I Want, If It Means a Lot to You und The Downfall of Us All sorgten für kollektive Flashbacks und einen Circle Pit, der sich gewaschen hat. Besonders eindrucksvoll: der nahtlose Wechsel zwischen hymnischem Stadion-Refrain und brachialem Breakdown – das Markenzeichen der Band seit ihren frühen Erfolgen. Mit ihrem aktuellen Album No Winners, Just Survivors zeigen sie sich textlich reifer, aber musikalisch so energiegeladen wie eh und je. Das Publikum? Voller Energie, textsicher und bei jeder Zeile dabei. Eine Liveshow, die beweist: A Day to Remember sind nicht nur der Soundtrack für gebrochene Herzen, sondern auch für kollektive Eskalation.
Aufgrund von Foto-Restriktionen war es uns leider nicht möglich A Day to Remember bei Rock am Ring 2025 zu fotografieren. Hier seht ihr ADTR im Jahr 2023 bei einer Show in der Schleyerhalle Sturttgart. Foto: stagr/Mike Kunz
Frank Turner & The Sleeping Souls
Drangsal
Biffy Clyro
Feine Sahne Fischfilet
Feine Sahne Fischfilet sorgten den politisch lautesten Auftritt des Wochenendes. Mit ihrer explosiven Mischung aus Punkrock, Bläsern und klarer Haltung verwandelten Jan “Monchi” Gorkow und seine Band – bestehend aus Christoph Sell, Kai Irrgang, Olaf Ney, Jacobus North und Max Bobzin – das Infield in ein Meer aus Fäusten, Fahnen und Feuerzeugen. Songs wie Komplett im Arsch, Wut und Zuhause wurden frenetisch gefeiert, während zwischen den Songs klare Kante gegen Rechts und für Solidarität gezeigt wurde. Besonders war die Show nicht nur wegen ihrer Energie, sondern auch wegen der ehrlichen, nahbaren Art, mit der Monchi das Publikum erreichte. Ihr aktuelles Album Alles glänzt stand im Mittelpunkt der Setlist und bewies live einmal mehr, wie gut Punk mit Herz und Haltung funktionieren kann. Feine Sahne live? Laut, links und einfach lebenswichtig.
Adam Angst
Von Adam Angst gibt es keine Aufwärmphase – direkt rein ins Brett mit bitterbösem Witz, scharfem Gesellschaftskommentar und brachialem Punkrock. Frontmann Felix Schönfuss spuckt seine Texte wie eh und je mit messerscharfer Präzision ins Mikro, während die Band ein Soundgewitter auffährt, das irgendwo zwischen Wut, Ironie und Stadiontauglichkeit pendelt. Songs wie Splitter von Granaten, Alexa und Wir werden alle sterben werden vom Publikum gefeiert wie Protesthymnen mit Circlepit-Garantie. Adam Angst steht für kluge Texte mit Haltung – laut, direkt und unbequem – und genau das macht den Auftritt so besonders in einem Festival-Line-up voller Harmoniebedürfnis. Mit ihrem aktuellen Album Twist, das musikalisch abwechslungsreicher, aber textlich nicht weniger pointiert daherkommt, treffen sie den Nerv der Zeit und der Fans. Wer glaubt, Punk sei tot, hat Adam Angst definitiv noch nicht live gesehen.
The Prodigy
Bring me the Horizon
Aufgrund von Foto-Restriktionen war es uns leider nicht möglich Bring me the Horizon bei Rock am Ring 2025 zu fotografieren. Hier seht ihr BMTH im Jahr 2019 bei Rock am Ring. Foto: stagr/Julia Langmaack