Reload Festival 2017 – So war der Samstag


Das Reload Festival 2017 ist jeden Cent der Eintrittskarte sowie die Fahrt nach Sulingen (halt irgendwo im nirgendwo von Niedersachsen) Wert gewesen. Wenn man bedenkt, dass man sich den Platz vor der Bühne mit nur wenigen Gästen teilen muss – was natürlich Fluch und Segen sein kann – darf man ruhig sagen, dass das Festival im Rahmen der Möglichkeiten am aktuellen Gelände gerne noch ein wenig wachsen könnte. Denn Bands wie Heaven Shall Burn bringen ja eigentlich erst richtig Bock, wenn der Circle-Pit nicht nur groß, sondern riesig ist. Aber auch wenn der „Bards Song“ (Blind Guardian wäre doch mal was für 2018), aus wenigen tausend Kehlen vielleicht leiser erklingen mag, so ist man doch irgendwo näher an seiner Lieblingsband und kommt gar nicht erst in die Situation das Ganze am Ende nur über Videowalls zu sehen.

Die Organisation vom Reload 2017 hat mit seinem Team aus ehrenamtlichen Helfern hervorragend geklappt, obwohl man auch etwas Verbesserungspotential herausstellen kann. An den Bierwagen am Hauptweg zwischen Bühne und Zeltplatz möge man appellieren, die musikalische Geschmacksverirrung aus Weihnachtsliedern wie „Last Christmas“ etwas herunterzufahren. Vielleicht streut man doch lieber ein wenig mehr Slayer oder Motörhead in die Playlist. Das Reload Festival ist mittlerweile über den Status „Geheimtipp“  hinaus und dennoch ist die familiäre Atmosphäre nicht verloren gegangen. Rock- und Metalfans können sich hier ordentlich die Hörner abstoßen.

reload Festival 2018 Tickets + Infos:

of colours

Die Gewinner des diesjährigen Bandwettbewerbs dürfen den Festival-Samstag offiziell eröffnen: Of Colours. Die Female-Fronted Metalcore-Kombination muss sich wohl recht eindeutig durchgesetzt haben, denn das Infield ist für einen Opener schon beachtlich voll. So dauert es auch nicht lange bis die ersten Circle-Pits und Walls of Death entstehen. Aber nicht nur die Besucher haben Spaß, auch der Band sieht man die Freude an dem Auftritt an. Of Colours spielen eine so großartige Show, dass sie bestimmt nich nur mich als neuen Fan begeistert haben


the charm the fury

Da man eigentliche nie genug Metalcore Bands á la Female-Fronted haben kann, geht es direkt weiter bei The Charm The Fury mit einer Frau am Mikrofon. Die Niederländer fallen optisch sofort auf, im Hintergrund prangt ihr Banner in grellem gelb und lila und davor wirbelt die leichte bekleidete Sängerin Caroline Westendorp herum. Das ist aber leider auch alles was bei diesem Auftritt etwas hervorgestochen ist, denn Das Quintett aus Amsterdam spielt ein recht unauffälliges Set ohne größere Überraschungen. Insgesamt schön anzuhören – aber „Sex Sells“ funktioniert nunmal nicht immer.

bury tomorrow

Inzwischen versucht die Mittagssonne wieder die Menschen aus dem Infield hin zu schattigeren Plätzchen, an denen es natürlich Bier gibt, zu verdrängen. Trotz der Hitze harren aber etliche Besucher vor der Bühne aus, um Bury Tomorrow zu genießen. Die Briten spielen ein Brett nach dem anderen – es kann also eigentlich niemand mit der Setlist unzufrieden sein. Sonst sind die Jungs aber ebenfalls eher unauffällig. Gute Show, aber einfach nichts besonderes. Das Publikum stört das weniger, denn das ist ordentlich am Abfeiern. Trotz aller Belanglosigkeit ist es schon ein bisschen schade, dass der Auftritt nach nur 40 Minuten vorbei ist.

massendefekt

Defekt sind hier die Massen. Beziehungsweise die nicht vorhandenen Massen. Ja, Massendefekt gehen direkt in die vollen und reißen auch alle anwesenden Fans mit, aber wie schon bei Bury Tomorrow, fehlt das gewisse Etwas. Wobei es vielleicht ja auch gar nicht am Auftritt liegt, sondern einfach an der allgemeinen Müdigkeit, die die Hitze einfach mit sich bringt. Massendefekt machen in unseren Augen also nichts falsch, müssen aber leider einsehen, dass schweißtreibende Bewegungen gerade nicht von allen Besuchern als erstrebenswert angesehen wird.

knorkator

Wenn es eine Band gibt die sich selbst ankündigt, bevor sie die Bühne betritt, ist es Knorkator. Wenn der Sänger, Stumpen, dann auch noch in einem Ghillie-Suit auf die Bühne kommt um sich innerhalb der ersten Lieder bis auf ein Minimum auszuziehen, weiß man: Bei dieser Band ist gar nichts normal. Da wundert es auch keinen, wenn kurzerhand alle Fotografen für einen Song auf die Bühne geholt werden, um diese dann mit den Worten “verpisst euch, haut ab!” kurz darauf wieder zu verscheuchen. Natürlich darf auch Tim Tom bei dem Auftritt nicht fehlen, der den Song “Böse” performt. Unterm Strich wieder ein sehr guter Auftritt von Knorkator, den man lieben oder hassen kann. Für Knorkator gibt es eben kein Mittelmaß.

whitechapel

Ein Schlagzeuger, ein Bassist, ein Sänger und drei Gitarristen. Das ist das Rezept, wenn man eine Bühne vorzeitig abreißen möchte. Oder mit anderen Worten: Whitechapel. Aber was will man bei einer Deathcore Band anderes erwarten? Eine Verletzung hier, ein Bruch da… nein, so schlimm ist es dann doch nicht. Zumindest können die Sanitäter, die über das gesamte Festival hinweg einen guten Job gemacht haben und freundlichen und kompetent Blessuren versorgen, das Konzert ganz entspannt von der Seite betrachten. Die Besucher schenken sich trotzdem nichts und springen bei einigen Wall Of Death ineinander. Wie schon Heaven Shall Burn am Vortag, versuchen sich auch Whitechapel an einem Circle-Pit um den FOH. Für diesen konnten sich zwar nicht ganz so viele Leute begeistern – beeindruckend ist es aber trotzdem.

caliban

Das, was passiert, als Caliban die Bühne betreten,  kann man entweder als Fluch oder als Segen bezeichnen. Kaum erklingen die ersten Töne aus den Boxen, wird es nass von oben. Nein, es hat niemand sein Bier geworfen und auch der Security, die bei der Hitze immer wieder das kühle Nass aus einem Gartenschlauch auf die Menge hat regnen lassen, kann man die Schuld nicht zuschieben. Verantwortlich ist ganz allein Petrus, der über uns einen kurzen, aber heftigen Regenschauer ergießt. Die meisten Zuschauer stört das wenig. Zumal das Trockenwerden nach dem Regen recht einfach zu bewerkstelligen ist: Hierzu stellt man sich einfach kurz in einen der zahlreichen Mosh-Pits oder lässt sich von der direkt wiederkehrenden Sonne bescheinen. Egal ob mit oder ohne Regen, Caliban haben auf jeden Fall einen klasse Auftritt hingelegt.

betontod

Auch für den Samstag steht ein musikalischer Ausreißer im Programm. Ist das eigentlich Absicht? Neben den ganzen Metal-Core Bands ist Deutschrock/Punkrock doch recht auffällig. Leider sehen das auch viele Besucher so und scheinen die 70 Minuten (45 Minuten Spielzeit + Umbaupause) zu nutzen, um lieber im Camp oder an den Essensständen nochmal Kraft für die letzten drei Bands zu tanken. Dabei ist der Auftritt der Rheinberger wirklich gut und noch viel wichtiger: energiegeladen. Zum Ende des Auftritts finden sich dann endlich noch ein paar mehr Leute vor der Bühne ein und lassen in einer Lautstärke die ihres gleichen sucht „Wir müssen aufhören weniger zu trinken“ auf dem gesamten Gelände ertönen.

Jasta

Wer ist dieser Jasta und was macht der um diese Zeit auf der Bühne? Hinter dem Namen Jasta verbirgt sich das Soloprojekt des Hatebreed-Sängers Jamey Jasta. Moment. Hatebreed? Waren die nicht erst letztes Jahr auf dem Reload Festival? Genau. Und da Jasta letztes Jahr so begeistert von diesem Festival war, hat er es sich nicht nehmen lassen auf eigenen Wunsch noch einmal aufzutreten, nur dieses mal eben mit seinem Soloprojekt. Dass er so richtig Bock auf den Auftritt hatte, merkt man sofort. Die gute Laune springt auch direkt auf das Publikum über und die Party kann man ohne weiteres als eine der Größten auf dem Festival einordnen. Vielleicht sieht man ihn ja nächstes Jahr mit seiner anderen Band, Kingdom of Sorrow wieder? Aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei.

trivium

Als nächstes stürmen Trivium die Bühne, die ihren neuen Drummer dabei haben. Mit Alex Brent an den Drums performen sie Lieder der letzten Alben sowie “The Sin And The Sentence” aus dem gleichnamigen, bald erscheinenden, Album. Das Publikum ist auf jeden Fall begeistert. Durch die ganze Bewegung im Publikum ist auch weniger auffällig, dass diese dagegen auf der Bühne quasi ausbleibt. Aber okay, wenn der Sänger auch gleichzeitig Gitarrist ist, ist das zugegeben aber auch schwerer möglich. Auf Pyro verzichteten Trivium übrigens ebenfalls komplett, was etwas schade ist, denn durch die inzwischen untergegangene Sonne wurde es etwas frisch, sodass etwas Wärme, in Form von Feuer auf der Bühne, nicht schlecht gewesen wäre.

Amon Amarth

Das was Trivium zu wenig hatten, haben Amon Amarth dann zu viel: Wenn man davon überhaupt zu viel haben kann: Pyro wohin das Auge schaut. Es brennt quasi alles, von den bei vielen Bands beliebten Feuersäulen, über kleine Flammenwerfer im Hintergrund bis hin zu brennenden Runen. Nebenbei gibt es dann noch Schwertkämpfe und eine Schlacht gegen einen Lindwurm. Also alles, was bei Wikingern so üblich ist. Das Publikum findet den letzten Auftritt vom Reload Festivals 2017 klasse und auch wir können uns dem Jubel nur anschließen. Abgerundet wird die Show am Ende mit dem Song “Twilight Of The Thundergods”, bei dem wohl jeder der Anwesenden mitgröhlen kann.