Ragnarök Festival 2018: Pack das Trinkhorn ein, es ist wieder soweit!


Eigentlich ist der Weltuntergang kein Grund zum Feiern. Wenn er jedoch bereits zum 15. Mal friedlich und in diesem Jahr noch dazu im allerbesten Prachtwetter stattfindet, dann fließt der Met in Hülle und Fülle. Und nicht nur der Met. Schon seit vielen Jahren pilgern langhaarige, überwiegend schwarzgewandete Gestalten in das fränkische Lichtenfels. Einige Einheimische fürchten dabei um Haus und Hof. Schließlich sieht doch so mancher Metalhead gar zum Fürchten aus – verglichen mit dem gottesfürchtigen Pilgervolk, was sonst die Gegend zwischen Kloster Banz und Vierzehnheiligen bevölkert. Das schwerwiegendste Vorkommnis ist ein demoliertes Zelt im Rahmen eines alkoholinduzierten Eifersuchtsdramas. Ansonsten melden Polizei und Rettungsdienst Entspannung auf ganzer Ebene.

Das gilt auch für die Festivalbesucher: Nach dem eisigen Gastspiel der Frostriesen im letzten Jahr, erwarten den geneigten Festivalbesucher in diesem Jahr fast sommerliche Temperaturen. Zum gefühlt ersten Mal in diesem Jahr zeigt sich der Frühling in voller Pracht bei Sonnenschein und Temperaturen um die 20 Grad. Die Stadthalle Lichtenfels ist dennoch fast durchgehend gut gefüllt, denn beim Ragnarök Festival 2018 spielen alte Szenegrößen (Einherjer, Thyrfing, Equilibrium) neben spannenden Newcomern (Saor, Enisum, Vanaheim) der heidnischen Metalszene – wie jedes Jahr bei perfekter Organisation und überwiegend vernünftigem Sound. Leider bekommt das Catering eher eine 4 minus, denn das Essen macht zwar satt und das Bier löscht den Durst, doch hat Franken eigentlich sehr viel mehr Kulinaritäten zu bieten. Die Welthauptstadt des Bieres, Bamberg, liegt ja quasi um die Ecke. Aber das haben auch einige Einheimische erkannt. Der Grill mit den netten, älteren Herren aus der Region versorgt den Connaisseur mit einheimischen Alternativen.

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Wolves Den

Die Rolle des Festival-Openers ist undankbar und dennoch füllen Wolves Den die Rolle mit Bravour aus. Für die frühe Stunde – sofern man 14 Uhr als früh bezeichnen möchte – ist die Halle schon knacke voll. Die Münchner um den ehemaligen Equilibrium-Sänger zieht deutlich mehr Besucher an als mancher vermeintliche Headliner – und das zu Recht. Geboten wird schnörkelloser Black-Metal, der ins Ohr geht – und in den Nacken. Insbesondere der Title-Track vom Debut-Album „Deus Vult“ ist ein Nackenbrecher. Mangels einer ellenlangen Liste an Veröffentlichungen steht der Auftritt auch ganz im Zeichen des 2015er Erstlingswerks. Auf „Gedeih und Verderb“ und „Schwarzes Firmament“ folgen Dysterborn und das bereits genannte „Deus Vult“. Natürlich hat das Quartett auch einen neuen, noch namenlosen Song im Gepäck. Erstes Fazit: Man darf sich freuen

Dawn of Disease

Weiter geht es nach kurzer Umbaupause auf der Nachbarbühne mit der melodischen Death-Metal-Kombo Dawn of Disease. Der Fünfer aus Osnabrück hat ein paar mehr Alben im Gepäck – kein Wunder es gibt sie auch schon mehr als ein Jahrzehnt länger. Gekonnt groovt sich der Fünfer Tracks des letztjährigen Albums „Ascension Gate“. Aber auch die älteren Alben kommen zu ihrem Recht.

Vanaheim

Die Niederländer Vanaheim borgen heftig in skandinavischen Gefilden. Sollten Wardruna und Finntroll jemals eine Kooperation anstreben, würde es wohl klingen wie Vanaheim. Die Holländer verbinden energiegeladenen Humppa-Metal mit eindrucksvollen, bisweilen epischen Klargesangseinlagen untermalt von traditionellen Instrumenten. Ganz zündet diese Kombination nicht, aber die Spielfreude des Fünfers und die beeindruckende Stimme von Fronter Zino van Leerdam helfen dem geneigten Hörer gern darüber hinweg.

Nailed to Obscurity

Nailed to Obscurity – benannt nach einem Song vom Debütalbum von Hate Eternal – setzen einen gelungenen Kontrapunkt zwischen zwei auf Spaß gepolte Folk- und Pagan-Metalbands. Mit insgesamt drei Alben im Gepäck bringen die Niedersachsen anspruchsvollen Melodic Doom/Death-Metal mit. Nicht immer einfach, aber druckvoll und mit klarem Sound nimmt das Quintett das Publikum schnell für sich ein.

Grimner

Hilfe, die Trolle sind los! Diesmal nicht Finnen sondern die Schweden. Grimner entfesseln auf der Bühne den Folk-Metal-Wahnsinn. Mit dem gleichnamigen Stück vom neuen Album „Vanadrottning“ eröffnet das Sextett den munteren Reigen. Flöter Johan tanzt wie ein Derwisch – ohne dabei einmal daneben zu greifen und Bassist David rollt mit den Augen wie ein Pferd kurz vor dem Durchgehen. 45 Minuten oder sieben Songs voller Spielfreude sorgen für fliegende Mähnen und kleinere Moshpits.

Saor

Ein-Mann-Projekte sind im Black-Metal sehr beliebt. Für eine Live-Darbietung hingegen reicht es jedoch selten. Andy Marshall, Mastermind hinter Saor und Fuath, schafft es jedoch problemlos, den atmosphärischen Black-Metal auf die Bühne des Ragnarök Festival 2018 zu bringen und das Publikum zu verzaubert. Dabei kommt das wenigste aus der Konserve, denn der Schotte hat sich die Hilfe seiner Landsmännern von „Cnoc an Tursa“ geholt. Zusammen mit dem Violinisten Lambert Segura lassen die Glasgower vier epische Songs auf das teilweise überraschte Publikum los. War Saor bisher so etwas wie ein Geheimtipp, verhilft die aktuelle Tour diesem Projekt hoffentlich zu mehr Fans. Bei glasklarem und druckvollem Sound vermitteln die Schotten ein Gefühl von der Freiheit und dramatischen, weiten Landschaften. Dudelsäcke und Flöten (leider vom Band) tragen genauso dazu bei, wie das eine oder andere Melodie-Fragment aus schottischen Traditionals. Nach „Aura“, „Carved in Stone“, „Farewell“ und „Tears of a Nation“ sind die 45 Minuten dann bereits viel zu schnell vorbei.

Wolfchant

Wolfchant sind alte Bekannte auf dem Ragnarök Festival mit dem inzwischen sechsten Auftritt in der 15-jährigen Geschichte des Festivals. Die Bayern liefern den gewohnten klassischen Pagan-Metal mit epischen Einschlag ab, der auf einem Festival dieser Kategorien nicht fehlen darf.

Leaves‘ Eyes

Leaves’ Eyes bringen ein neues Element nach Lichtenfels: Gothic-Metal der Marke „Beauty & the Beast“ – schroffe Growls treffen sphärischen Frauengesang oder wie in diesem Fall Atrocity trifft Elina Siirala. Letztere füllt seit 2016 die musikalische Lücke, die durch den Weggang von Liv Kristine entstanden ist. Dass ihr das nicht schwerfällt, hat die junge Finnin auf dem letzten Album bewiesen. Dieses klingen inzwischen deutlichen symphonischer und weit weniger düster als noch das Debütalbum. Am heutigen Abend stehen insbesondere dieses Alben im Vordergrund, nicht zuletzt, weil ‚Sign oft he Dragonhead‘ noch taufrisch ist. Mit dem Titelsong „Sign oft he Dragonhead“, „Across the Sea“, „Fires in the North“ und „Riders on the Wind“ nimmt es einen Löwenanteil der 45 Minuten Spielzeit ein. Nur das Vorgängeralbum „King of Kings“ bekommt ähnlich viel Spielzeit. Der Band und auch das Publikum haben sichtlich Spaß an diesem energiegeladenen Auftritt. Damit auch das Publikum voll mit eingebunden wird, wird gemeinsam huldvoll der letzten Fußball-EM gedacht. Dort hatten die Isländer sich die Herzen vieler Fans gespielt und einen neuen Jubeltrend gestartet. Dieses gemeinsame sehr laute Klatschen wird heuer unter dem strengen Blick der Wikinger der Schaukampf-Truppe geübt.

Dark Tranquillity

Weiter geht es mit einer der Institutionen des Schweden-Death-Metals: Mitte der 1990er waren Dark Tranquillity DAS Aushängeschild für melodischen Schweden-Tod. Zusammen mit In Flames und At the Gates begründeten die Schweden die weit über Skandinavien hinaus bekannte Göteborger Schule. Seitdem ist viel Wasser den Göta älv runtergeflossen und DT – wie sie liebevoll von den immer noch zahlreichen Fans genannt werden – haben sich progressiveren Seiten zugewandt. Heute liegt der Schwerpunkt eher auf Alben ab der Jahrtausendwende. „Therein“ vom 99er Album „Projector“ ist der älteste Song, während vom letzten Album „Atoma“ hingegen drei der elf Songs an diesem Abend stammen. Der Begeisterung des Publikums schadet es nicht, was es zu hören bekommt – ganz im Gegenteil. Denn was die etwas in Jahre gekommenen Herren feilbieten, geht direkt in Ohr und Nacken. Neben technisch versiertem und spielfreudigen Hörgenuss irritiert jedoch, dass man die Band selbst kaum sieht. Abgesehen von einer Leinwandprojektion ist die Bühne selbst nur spärlich beleuchtet. Mit den Falten und weißen Haaren mancher Protagonisten hängt das jedoch nicht zusammen. Eher müssen sich die Festivalorganisatoren die Frage gefallen lassen, warum insbesondere die Headliner im Halbdunkel spielen müssen.

Equilibrium

Equilibrium sind spätesten seit 2005 eine nicht mehr weg zu denkende Institution in der deutschen Pagan- und Folk-Metal-Szene. Für ihren diesjährigen Auftritt haben sich die Starnberger etwas besonderes überlegt: Sie feierten das zehnte Jubiläum von „Sagas“. So wird an diesem lauen Frühlingsalbum fast das gesamte Album durchgespielt. Schon beim Intro von „Prolog auf Erden“ beginnt, werden zahlreiche Pommesgabeln gen Bühne gestreckt. Weiter geht es mit „Wurzelbert“ gefolgt von „Blut im Auge“ – vielleicht einer der Equilibrium-Klassiker schlechthin! Auf „Heimwärts“ folgt dann der Gänsehautmoment des Abends: Ex-Sänger Helge Stang entert heute das zweite Mal die Bühne. Gute acht Stunden ist es her, dass Wolves Den das Festival mehr als würdig eingeläutet haben. Nun kehrt Helge für „Die Weide und der Fluss“ unter großem Jubel zu seinen früheren Kollegen auf die Bühne zurück. Equilibrium beschließen den Abend mit schließlich mit „Unbesiegt“ und „Mana“ den Abend.

Enslaved

Mit Enslaved entert eine weitere Institution des heidnischen Metals die Bühne. Ähnlich wie ihre schwedischen Kollegen Dark Tranquillity gibt es die Viking-Metaller schon seit Anfang der 1990er. Und ähnlich wie die Göteburger haben sich die Kollegen aus Bergen ihre Musik einer deutlichen Frischzellenkur unterzogen. Waren die ersten Alben „Vikingligr veldi“ und ‚Frost‘ noch ungestümer Black-Metal, so drehten Enslaved den Regler für progressive Einflüsse spätestens mit ‚Isa‘ und „Ruun“ auf Anschlag. Dass die frühen Zeiten jedoch nicht ganz vergessen sind, beweisen Ivar Bjørnson und Grutle Kjellson jedoch dem Song „Vetrarnótt“ vom ersten Album. Ansonsten gehören die verbleibenden 55 Minuten des Sets, der jüngeren Vergangenheit. Mit „Storm Son“ und ‚Sacred Horse“ steht das 2017er Album ‚E‘ an prominenter Stelle. Aber auch die Vorgängerlangspieler „In Times“und „RIITIIR“ kommen zu ihrem Recht. Rausschmeißer ist der Klassiker vom gleichnamigen Album „Isa“. Insgesamt ein gelungener Auftritt, auch wenn der Soundtechniker an mancher Stelle überfordert ist. Vom Beleuchter gar nicht zu sprechen …

Graveworm

Das Ragnarök und die Südtiroler Graveworm verbindet eine langjährige Geschichte. 2011er spielten die Gothic-Metaller das erste Mal in Lichtenfels. Es folgten eine Reihe weitere Auftritte, die auch bei Pleiten, Pech und Pannen hätten laufen können: Kurzfristige Absagen, Soundprobleme und verhinderte Bandmitglieder, um nur ein paar zu nennen. 2018 sollte anders laufen. Auch wenn die Mannen um Fronter Stefan Fiori den Part des Rausschmeißers am Freitag übernehmen müssen, ist die Halle gut gefüllt. Von Sound-Pannen bleibt der Fünfer komplett verschont und liefert so bei jedem Song ordentlich ab. Auf dem Programm stehen an diesem Abend Klassiker aus den Jahren 1997 bis 2015: Von „Awake“ und „Legions Unleashed“ über „Hateful Design“ und „Forlorn Hope“ bis hin zu „To the Empire of Madness“ vom letzten Album „Ascending Hate“.

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