Open Flair 2023: Unsere Highlights am Samstag und Sonntag


Der erste Pflichttermin am Samstag sind definitiv “The Baboon Show”. Wer die Band einmal live gesehen hat, weiß, wie viel Energie dort auf der Bühne freigesetzt wird. Auch beim Open Flair wird das Publikum nicht enttäuscht: Sängerin Cecilia Boström fegt über die Bühne, ist mal vorn direkt beim Publikum und genießt später auch das Bad in der Menge. Sie kann nicht stillstehen und beweist mit ihren drei Bandkollegen, wie guter Punkrock aus Schweden klingen kann, und das seit mittlerweile 20 Jahren. Erst dieses Jahr ist Gründungsmitglied und Gitarrist Håkan Sörle ausgestiegen. Neuer Mann an der Gitarre ist Simon Dahlberg, der sich schon super integriert hat. Die Energie überträgt sich auf das Publikum und so sieht man auch freudestrahlende, crowdsurfende Kinder. Der während der Show leicht einsetzende Regen tut dem Ganzen keinen Abbruch. Letzter Song ist ihr großer Hit “Radio Rebelde”.

Die Destroy Boys gibt es bereits seit 8 Jahren, aber so richtig in den Fokus gerutscht sind die Kalifornier – auch hier in Deutschland – erst 2021 mit ihrem dritten Studioalbum “Open Mouth, Open Heart” mit ihrem Mix aus Punk, Alternative und Indie. Auf Wikipedia findet sich eine kurze, aber treffende Beschreibung: “Die Bandmitglieder selbst bezeichnen sich selbst als eine ‘genrequeere’ Band – das heißt, sie wollen nicht nur die Konstrukte des Genres, sondern auch Geschlecht und Sexualität in Frage stellen.”

“Wolfmother”, die als nächstes auf der Radio BOB!-Bühne stehen, beweisen, dass es absolut keine große Show und Effekte benötigt, um das Publikum anzuziehen. Besonders dann nicht, wenn man mit seinem Debütalbum (“Wolfmother”, 2005) direkt einmal Platin und mehrfach Gold abräumt. Das Werdchen ist gut gefüllt, denn so manch ein Besucher wird sich noch an die Show auf dem Open Flair 2016 erinnern. Auch dieses Jahr überzeugen die drei Musiker aus Australien mit gutem handgemachten Stonerrock.

Die Saarländer von Indecent Behavior waren kurz vor dem Open Flair noch auf Clubtour. Auf der Freibühne beweisen sie ihre Live-Qualitäten und haben auch ihr in diesem Jahr frisch veröffentlichtes drittes Album “Therapy in Melody” dabei, auf dem einmal mehr tiefgehende Texte mit durchaus tanzbarer Musik einhergehen.

“Me First And The Gimme Gimmes” aus dem sonnigen San Francisco sind eine richtige Festivalband: mit ihren Coversongs quer durch den Musikgarten sorgen sie sofort für gute Stimmung. Von “Straight Up” (Paula Abdul) über “Rocketman” (Elton John) hin zu “Dancing Queen” (ABBA) oder auch “Summertime” (aus der Oper “Porgy & Bess”): da ist wirklich alles vertreten. Die Pausen zwischen den Songs werden geschmückt von den witzigen und teils etwas provokanten Sprüchen von Sänger Spike Slawson.

Als Bosse auf die Bühne kommt, legt er mit “Kraniche” los, bevor dann gleich die Tanzbeine geschwungen werden zu “So oder so” und “Du federst”. Im Herbst erscheint sein neues Album, wovon er die erste Auskopplung “Dein Traum” schon gemeinsam mit den textsicheren Fans singt. Der sympathische Wahl-Hamburger tanzt sich gewohnt verschwitzt durch die Show und bezieht immer wieder auch das Publikum mit ein. Es ist ausgelassene Stimmung, kein Fuß steht mehr still. Spätestens bei “Frankfurt/Oder” bewegt sich der ganze Platz. Letzter Song ist passender Weise “der Letzte Tanz”.

Die fünf Kalifornier von Zebrahead sind an diesem Tag (eigentlich ist ja auch schon Sonntag) die letzte Band und gleichzeitig Abschlussact der Seebühne für dieses Jahr. Aber die Band ist für gute Laune und Partymachen bekannt. “Zufällig” hat natürlich wieder ein Security Geburtstag und “zufällig” wünscht der sich möglichst viele Crowdsurfer. Mittlerweile hat sich das zu einem Running Gag auf Zebrahead-Konzerten etabliert, was das Publikum aber natürlich nicht davon abhält, dem Aufruf zu folgen. Traditionsgemäß ist “Anthem” der letzte Song. Nun ja. Fast. “All My Friends Are Nobodies” und “Falling Apart” werden als Zugabe noch hinterher geschoben. Ein würdiger Abschluss der Seebühnen-Konzerte.

so war Der Sonntag

Als The Subways die Hauptbühne am Werdchen betreten, ist es schon Nachmittag und das Gelände gut gefüllt. Am letzten Open Flair-Tag konzentriert sich alles aufs Hauptgelände. Die Dreier-Kombo aus England legt direkt los, unter anderem mit ihrem Hit “Oh yeah”. Schlagzeugerin Camille Phillips ist seit 2021 dabei. Billy Lunn an der Gitarre und Charlotte Cooper am Bass waren schon an Board, als sich die Band vor 20 Jahren gründete. Charlotte lässt während der Show in gewohnter Manier ihre Haare fliegen. Das Publikum feiert mit den Briten. Gegen Ende wird dann ihr wohl größter Hit “Rock’n’Roll Queen” angestimmt. Mittendrin springt Sänger Billy von der Bühne auf einen aufblasbaren Flamingo, lässt sich auf den Händen der Fans nach hinten tragen, über den Wellenbrecher hinweg hin zum Technikturm. Dort klettert er hinauf, um wenig später zurück auf den Flamingo zu springen. Er übersteht es glücklicherweise ohne Blessuren, auch wenn die Aktion mehr als gewagt ist.

Mia Morgan ist eine junge Sängerin aus Kassel, die bereits in frühen Jahren mit Depressionen und Anorexie Erfahrung machen musste. Auf dem Weg zu ihrem Debütalbum, welches im letzten Jahr erschienen ist, behandelt und verarbeitet sie diese Themen. Das Album selbst wird als “feministisches Pop-Manifest” beschrieben, auf dem Erfahrungen, die sowohl sie als auch ihre Freundinnen gemacht haben, thematisiert werden. Fast puppenhaft wirkt sie auf der Bühne, ein paar Rosen zieren irgendwo zwischen Romantik und Kitsch den Mikrofonständer. Ein Gesamtkunstwerk.

Wer mit seinem aktuellen Album in den deutschen Top 10 gelandet ist, zieht natürlich auch viele Fans vor die Hauptbühne. Frank Turner und seine Band The Sleeping Souls müssen dieses Mal nicht, so wie 2014 bei ihrem letzten Auftritt auf dem Open Flair, der fast wortwörtlich ins Wasser gefallen ist, gegen den Regen ankämpfen. Dieses Jahr meint es das Wetter gut mit ihnen und so kann der Brite, der sich musikalisch irgendwo zwischen Folk und Punk einordnet, mit voller Kraft voraus seine Songs zum Besten geben. Der obligatorische Gang ins Publikum darf dabei im Laufe der Show nicht fehlen.

Wenn Fjørt die Bühne betreten, knistert es nur so vor Energie. Die Stimmung ist positiv aufgeladen, auch beim Publikum. Es geht voll nach vorn, Sänger und Gitarrist Chris Hell und Bassist David Frings nehmen die Bühne in vollem Umfang in Anspruch. Seit gut 10 Jahren sind die drei Musiker unterwegs und konnten besonders eben durch ihre Live-Shows eine solide Fanbase erspielen. Mit ihren ehrlichen Texten, die sie mit voller Wucht musikalisch untermalen, macht es einfach Spaß, ihnen zuzuhören und auch zuzusehen.

Ein ziemliches musikalisches Gegenteil bilden dann die Giant Rooks. Sie haben sich in den letzten Jahren eine feste und treue Fanbase erspielt, vorwiegend junge Mädchen und Frauen. Aber Sänger Frederic Rabe weiß auch genau, wie er mit dem Publikum interagieren muss, um die Herzen schneller schlagen zu lassen.

OK KID! sind eine der letzten Bands des 39. Open Flair. Sie haben bereits zweimal auf dem Festival gespielt, beim ersten Auftritt 2010 noch unter altem Namen (Jona:S). Mit ihrem Indie-Pop-Sound, der auch einige HipHop-Elemente enthält, sorgen sie für ein paar gute Momente an diesem Abend.

Peter Fox hat sich für seine Festivalauftritte direkt Verstärkung seiner Fans auf die Bühne geholt. Im Frühjahr gab es einen Aufruf auf seiner Webseite, dass man Teil der Show werden kann. Bedingungen: mindestens 18 Jahre alt und Spaß an der Bewegung. Und so stehen hinten auf der Bühne nun etliche junge Frauen und machen Alarm. Die Show ist explosiv, es gibt natürlich viele alte und neue Hits und Peter Fox überzeugt als Headliner.

Nächstes Jahr geht das Open Flair dann schon in sein 40. Jahr. Das muss man sich mal vorstellen. Vermutlich ist das Durchschnittsalter der Festivalbesucher weit darunter, auch wenn hier immer alle Altersklassen vertreten sind. Wir sind mehr als gespannt, welche Acts und Überraschungen die Macher des Festivals für uns bereithalten. Aber bei einem sind wir uns jetzt schon absolut sicher: es wird wieder großartig!