Leinen los: Wikinger, Piraten und Freibeuter entern das Ragnarök Festival 2018


Der zweite Tag vom Ragnarök Festival 2018 fährt unter der Jolly Roger – Piraten-Metal ist angesagt. Den Anfang machen Calico aus der Schweiz. Nun sind die Eidgenossen nicht unbedingt für ihre Piraten- oder gar Seefahrer-Tradition bekannt, aber die Jungs und ihr Papagei machen ihre Sache ganz ordentlich. Von der karibischen Schweiz geht es weiter nach Ägypten – zumindest dem Namen nach. Die Löwengötter vom Nil haben kalten, leicht thrashigen Black-Metal im Gepäck. Auch Maahes machen ihre Sache sehr ordentlich und stimmen die sich füllende Stadthalle Lichtenfels auf das folgenden vielseitige Programm ein.

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Bucovina

Mit den Rumänen Bucovina wird es wieder traditioneller. Mustergültiger Pagan-Metal mit vielen Anleihen aus dem klassischen Heavy-Metal einschließlich der Ventilatoren für die fliegende Wallemähne. Sieben Songs hat das Quartett heute im Gepäck und gibt damit einen guten Überblick aus den 3,5 veröffentlichten Langspielern. Vielseitig und druckvoll so kann man den Auftritt beschreiben. Sowohl Trümmerparts als epische Klargesänge sitzen sehr zur Freude der Fans.

Enisum

Von der Donau wechseln wir ins Piemont und werden etwas verträumter. Enisum aus Turin bieten dem geneigten Hörer eine Darbietung aus dem Bereich des atmosphärischen Black-Metal. Ganz fernab des klischeebehafteten, meist etwas schwülstigen italienischem Metals erinnert das ganze eher die großen Wolves in the Throneroom denn an Elvenking. Schon mit dem ersten Song, „Balance of Insanity“ vom letzten Album ‚Seasons of Desolation“ fesseln Enisum ihrer Hörerschaft. In den folgenden gut 35 Minuten geht die Reise durch die letzten drei Alben. Auf „Snowstorm“ folgt „…of Desolation“ und „Still Life“. Um dann mit „The Place where you die“ und „Mountain’s Spirit“ zu beschließen. Ein echtes Highlight.

Harpyie

Stilistisch sind Harpyie eine 180-Grad-Wendung im Vergleich zu Enisum – Spaß machen sie trotzdem. Die Folk-Metaller klingen wie der kleine, dreckige Bruder von Subway to Sally, was irgendwie passt. Harpyien sind in der Mythologie auch eher als hässlich und dreckig bekannt. Mit „Anima“ und „Berserker“ heizen Geigerin Mechthild und ihrer Kollegen dem Publikum auch mächtig ein. Eindrucksvoll ist neben der Spielkunst bei „Anima“ vor allem die gefühlt überlebensgroße Harpyien-Maske von Sänger Aello. Dass der riesige Schnabel nicht beim Singen stört, ist doppelt bemerkenswert. Ebenso bemerkenswert ist, wie Mechthild jeden Ton auf der Geige trifft, obwohl sie gleichzeitig wie ein Derwisch über die Bühne tanzt und springt.

In the Woods

Mit „Heart of Ages“ lieferten In the Woods eines der einflussreichsten Alben der 90er Jahre ab. Leider konnten sie im Folgenden nie wieder ganz an dieses Niveau anknüpfen und lösten sich nach zwei mäßig erfolgreichen Alben folgerichtig mit der Jahrtausendwende auf. Etwas überraschend gab die Band dann vor drei Jahren bekannt, sich wieder zu reformieren. Seit 2016 entern die Bottari-Zwillinge wieder die Bühnen und mit „Pure“ folgte sogar ein weiteres Album. Heute gibt es neben alten Klassikern auch neueres progressiveres Liedgut zu hören. Der Sänger Mr. Fog hat dabei einen wirklichen guten Tag erwischt – ähnlich wie der Soundengineer. Während bei anderen Auftritt gerade die alten Songs nicht wieder zu erkennen waren, entfallen die Klassiker von der „Heart of Ages“ ihre Wirkung. So gerne öfter.

Fejd

Nach der tragisch, elegischen Musik aus Norwegen wird es beschwingt und schwedisch. Die Brüder Patrik und Niklas Rimmerfors bringen mit Bouzouki und Nyckelharpa sehr traditionelle Instrumente mit. Untermalt von groovigen Metal bringen die beiden einen energiegeladenen Song nach dem anderen. Fejd präsentieren Folk-Metal, der direkt in die Beine geht. Wer bei Songs wie „Härjarnen“,“Gryning“, „Trolldom“ oder „Yggdrasil“ stillstehen kann, muss taub sein.

Wolfheart

Kein Metal-Konzert ohne Finnen. Der diesjährige Vertreter sind die Melodic-Deather Wolfheart. Das Quartett um Sänger Tuomas Saukkonen legt mit „The Hunt“ vom 2013er Album ‚Winterborn‘ gleich ordentlich los. Tuomas erinnert zwar optisch etwas an den legendären Kerry King – musikalisch erinnert aber wenig an Slayer. Die Finnen gehen auch ohne „South of Heaven“ ordentlich ab. Songs wie „Strength und Valor“, „Aeon of Cold“ und „Zero Gravity“ sorgen für das eine oder andere Schleudertrauma.

Batushka

Bei den Polen Batushka wird Atmosphäre ganz großgeschrieben. Schon das Anzünden der Kerzen (und derer gibt es viele) wird zum Happening. In den folgenden 45 Minuten folgt eine einzigartige Darbietung, die sehr bewusst wie ein russisch-orthodoxen Gottesdienst anmutet. Dass das einzige Album der Polen ‚Litourgiya‘ und somit Gottesdienst heißt, ist kein Zufall. Aber schon beim Betrachten der Akteure wird klar, dass es keinen christlichen White-Metal geben wird. Vielmehr stellen die verhüllten, mönchsähnlichen Gestalten mit ihren Kutten klar, dass es etwas blasphemischer zugeht. Wie blasphemisch – das lassen die Musiker hinter dem Projekt bewusst offen. Für Auftrittsverbote und Morddrohungen in Russland und Weißrussland hat es in jedem Fall gereicht. Wer unter den Kutten steckt, daraus wird ebenfalls bewusst ein Mysterium gemacht. Nicht aus Selbstschutz, sondern als Teil des Konzepts. Dieses sieht vor, orthodoxe, sakrale Hymnen mit Elementen aus Black- und Doom-Metal zu verbinden. Das Album wie auch das ganze Projekt kam 2016 aus dem Nichts und schlug ein wie eine Bombe. Seitdem bereisen Batushka (sprich Batjuschka) die Bühnen dieser Welt und zelebrieren Abend für Abend ihre Liturgie. Auch diesen Abend feiern die verhüllten Herren wieder eine Messe, die perfekter nicht inszeniert werden kann. Kerzen, Weihrauch und sakraler Gesang von einem drei-stimmigen Männerchor stehen gegen fette, schwarz-metallischen Riffs. Der „Prediger“ keift hingebungsvoll und steht dabei hinter einem Altar, auf dem eine Ikone liegt. Letztere prangt auch auf dem Cover des Albums, das in Perfektion dargeboten wird – bis zum letzten Glockenspiel.

Einherjer

Einherjer sind eine absolute Legende des Vikingmetals. Wer etwas auf sich hält, sollte als Fan dieses Genres mal mindestens ‚Dragons of the North‘ und ‚Odin Owns Ye All‘ im Plattenschrank haben. Ersteres wurde vor zwei Jahre als Re-Recording neu herausgebracht. Heute Abend leiden die Norweger leider etwas am Sound. Etwas matschig kommen „Berserker“, „Dreamstorm“ und „Hedensk“ daher. Stören lässt sich davon indes niemand: Weder Grimar und seine Mannen noch das Publikum, dass teilweise noch nicht geboren war, als das erste Demo erschienen ist. Die 45 Minuten vergehen schnell und flugs ist das norwegische Quartett bei „Ironbound“ angekommen – ihrem letzten Song an diesem lauen Frühlingsabend.

Rotting Christ

Rotting Christ sind eine der ältesten Bands auf diesem Festival. Die Griechen liefert bereits vor dem Fall der Berliner Mauer ihren ersten Schaffensnachweis ab. Ob der Vierer aus Athen irgendwelchen Einfluss auf Honecker und Konsorten hatte, darf getrost bezweifelt werden. Aber in den drei Jahrzehnten ihres Bestehens haben die Gebrüder Tolis dennoch einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Stand zu Honnis Zeiten noch eine Mischung aus Grindcore und Black-Metal auf dem Tableau, so sind haben sich die verrotteten Christen deutlich weiterentwickelt. Im Jahre 2018 bieten die Sakis und Themis Tolis melodischen Black-Metal feil, der sich gewaschen hat. Fett und druckvoll überrollen sie an diesem Abend das Publikums wie Lawine. Rotting Christ sind vielleicht alt, aber kein bisschen leise.

Alestorm

Von der Ägäis geht es in kälterer Gewässer: Alestorm haben es sich zur Aufgaben gemacht, als Piraten die schottischen Gewässer unsicher zu machen. Da Kaperfahrten auf dem Loch Lomond dem Tourismus schaden, haben sich Alestorm auf das Entern von Bühnen verlegt. Dabei erinnert wenig an Kapitän Sperling und seine Mitstreiter. Auch mit echten Piratenkombos wie Calico heute morgen oder die Mittelaltermärkte unsicher machenden Hurley und die Pulveraffen bzw. Knasterbart hat das wenig zu tun. Optisch und musikalisch ist es ein Potpourri aus JBO, Modern Talking und den Sieben Zwergen im besten Sinne. Mit Umhängekeyboards und fetten Gitarren spinnen die Schotten ihr Seemannsgarn. Am Ende lernt sogar die überlebensgroße Quietsche-Ente das Fliegen oder zumindest das Crowdsurfen. Ein Heidenspaß spätestens ab der dritten Flasche Rum.

Thyrfing

Um die Viking-Metaller Thyrfing ist es in der jüngeren Vergangenheit etwas ruhiger geworden. Fünf Jahre ist der Release von „De ödeslösa“ inzwischen her. So war ihr Erscheinen auf dem Billing eine kleine Überraschung, auch wenn Patrik Lindgren und Joakim „Jocke“ Kristensson ihre Instrumente nie auch nur in die Ecke gestellt haben (geschweige denn an den Nagel gehängt). Musikalisch stehen Thyrfing schon seit ihrem selbst betitelten Debut für eine groovige, vielleicht etwas rumpelige Mischung aus Viking und Black-Metal. Auch heute bringen die Schweden die Halle wieder zum Kochen. In den 50 Minuten zwischen „Mot Helgrind“ bis „Från Stormens Öga“ bleibt kein Stein auf dem anderen.

Der Weg einer Freiheit

Ob der Rausschmeißer-Slot dankbar oder undankbar ist, darüber scheiden sich die Geister. An diesem Abend ist er mit Sicherheit kein Erfolgsgarant. Besonders unangenehm ist, dass Der Weg einer Freiheit ihren Soundcheck deutlich überziehen – die erste und einzige Band an diesem Wochenende. Der Grund dafür ist nicht, dass die Würzburger besondere Diven wären (Amorphis anyone?). Nein, ganz im Gegenteil. Grund ist vielmehr, dass die schottischen Piraten Alestorm die komplette Backline auf der Bühne demontiert hatten. Als die epische Wartezeit schließlich überstanden ist, befindet sich vor der Bühne immer noch eine große Meute. Diese wird mit brachialen Melodienbögen der Marke DWEF beglückt. Der Abend selbst steht ganz im Zeichen des letzten Albums „Finisterre“. Ein Gutes hat die späte Stunde: Die Spielzeit umfasst epische 70 Minuten. Genug Zeit um eine bunte Mischung aus allen Werken zu spielen. Wie im Black-Metal üblich fassen sich auch Der Weg einer Freiheit ungern kurz. Alles in allem ein gelungener Auftritt.