Kaltern Pop 2016 – Tag 2: So war der Freitag


Kaltern Pop Festival 2016
(Bild: stagr / Maria Siebenhaar)

Strömender Regen begleitet den zweiten Tag des Kaltern Pop Festivals. Unterkriegen lässt sich deshalb aber niemand, denn alle Konzertlocations sind überdacht und der Großteil der Besucher kuschelt nachts in gemütlichen Südtiroler Hotelbetten anstatt in kalten Zelten. Der Freitag ist wieder vollgepackt mit abwechslungsreicher Musik. Hier gibt es etwas für jeden Geschmack: von a capella Einlagen des Cantus Domus bis zu intelligentem deutschen Hip Hop von Käptn Peng, von traurigen Folksongs des Engländers Luke Sital-Singh bis zu einer Mega-Show von Bilderbuch. Und wer dann noch nicht genug hat, tanzt im Kuba bis um 3:00 Uhr zum Set von DJ St. Paul. Langweilig wird es hier auf keinem Fall und auch zwischen den Konzerten erfreut man sich besonderer Momente. Zum Beispiel wenn man abends im Restaurant am Nebentisch von Bear’s Den die leckere italienische Pizza genießt und sich das wie das natürlichste der Welt anfühlt. 

MATT MALTESE | Franziskanerkirche

Auch in Kaltern darf man sich dieses Jahr wieder auf intime Konzerte in der Kirche freuen. Und auch Matt Maltese freut sich sichtlich darüber. „Quando sono in europa, gioco sempre in una chiesa“ (Jedes Mal wenn ich in Europa bin, spiele ich in Kirchen) stammelt der gebürtige Engländer in italienisch und amüsiert somit sowohl das deutsche als auch italienische Publikum. Die Kirche ist voll und sogar Bear’s Den und Luke Sital-Singh mischen sich in den hinteren Reihen dazu, während der erst 20-jährige Songwriter seine emotional-geladenen und minimalistisch mit E-Piano begleiteten Songs liefert und dabei sein Herz öffnet. 

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CHRIS PUREKA | Vereinshaus

„Frau? Mann? Frau? Mann?“ wundert sich der ein oder andere im Publikum, verwirft die Frage jedoch schnell wieder sobald klar wird, dass das einzige was zählt Chris Purekas Musik und ihre ausdrucksvolle Stimme ist. Chris kommt aus Portland, Oregon und bezeichnet sich selbst als Landmaus, was inmitten der Alpen ja auch gut ankommt. Die androgyne Singer-Songwriterin wurde bereits mit Cat Power verglichen, besitzt ihr eigenes Label und singt Lieder übers Erwachsenwerden, das Leben und die Liebe, so rauh, authentisch und verletzlich, dass man Gänsehaut bekommt. Kein Wunder, dass Haldern Pop Records ihre letzten zwei Alben in Europa veröffentlichte und sie gerne auf den hauseigenen Festivals präsentiert. 

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STARGAZE & KÄPTN PENG | Vereinshaus

Käptn Peng beginnt sein Set mit dem Vortragen eines Gedichtes, untermalt von einer Geräuschkulisse, die vom Stargaze Ensemble hinter ihm inszeniert wird. Kein Wunder: der Tausendsassa Robert Gwisdek aus Berlin ist nicht nur deutscher Rapper, sondern auch Schauspieler und Romanautor und kommt zudem sehr symphatisch und keinesdalls wie ein Proll-Hip-Hopper rüber. Die Zuschauer lauschen gespannt seinen philosophischen, welthinterfragenden und niveauvollen Texten und das hohe Niveau seiner Darbietung wird durch das Orchester – allesamt klassisch ausgebildete Musiker – nur unterstrichen. Hier wird gekonnt improvisiert, getanzt und gelacht und der Spass auf der Bühne überträgt sich in sekundenschnelle auf das relativ junge Publikum. Sehr symphatisch auch die Tatsache, dass der Pianist des Orchesters einen Song speziell für das Kaltern Pop Festival schrieb und diesen „in the van to Kaltern“ nannte.

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LUKE SITAL-SINGH | WEINMUSEUM

Es ist der erste Italien-Auftritt des aus England stammenden 25-jährigen, der eine Reihe an melancholischen Folk-Songs mit im Gepäck hat. Seine sanfte Stimme erinnert an James Bay, seine Texte sind ehrlich und der Einsatz der Instrumente spärlich, sodass Stimme und Texte noch mehr Gewicht bekommen. Publikumsnähe scheint für Luke sehr wichtig zu sein – so werden die Zuschauer in den hinteren Reihen dazu aufgefordert weiter vorne Platz zu nehmen und als ein Baby inmitten seiner Performance beginnt zu kreischen, bricht er diese ab, schmunzelt und meint, dass es normalerweise länger dauert bis seine Songs jemanden zu Tränen rühren und lobt das Baby und dessen Mut zu seinen Gefühlen zu stehen. Und auch hier findet man wieder Künstler im Publikum: Mara Simpson gefällt die Performance sichtlich und freut sich, dass sich ihre Gitarre bei Luke auf der Bühne sehr gut macht. 

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THE SLOW SHOW | Vereinshaus

Zum Auftritt von The Slow Show fehlen einem schlichtweg die Worte, so hinreißend ist sie. Die tiefe Stimme von Sänger Rob Goodwin portiert einen in andere Sphären, die persönlichen Texte rühren zu Tränen und gleichzeitig möchte man sich tanzendend den Melodien des E-Gitarristen hingeben. Und die Americana-Band aus Manchester mit ihren langsamen aber kraftvollen Songs, setzt noch eines drauf indem sie Cantus Domus und Stargaze mit auf die Bühne holen und sichtlich selbst von deren Talent ergriffen sind. Immer wieder geht der sonst so leicht- und barfüßig über die Bühne schwebende Sänger in die Hocke und lauscht fasziniert den Engelsstimmen des Chores. 

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BILDERBUCH | Vereinshaus

Andy Warhol meets Hip Hop – Falco meets Red Hot Chili Peppers – vier Wiener Schulknaben meets 80er Jahre – Green Day meets Dadaismus. Zahlreiche Einflüsse erkennt man bei Bilderbuch wieder und doch haben die Jungs es geschafft, etwas ganz neues, eigenes, ja eine komplette Marke um sich herum zu schaffen. Das Vereinshaus ist voll, man grölt, singt, tanzt zu den groovigen Beats und dreckigen Gitarrenriffs und die Energie jedes einzelnen Bandmitglieds schwappt auf das Publikum über. Es ist ein Geben und Nehmen. Fast wie bei gutem Sex. Und genau damit kokettieren die Vier während sie galant im Wiener Slang über die Konsumwelt witzeln und unsere Popkultur analysieren. Ein großes Lob auch an den Bühnendesigner sowie an den Lichtkünstler, den man, wenn man mal kurz beobachtet wie er im Takt die Regler verschiebt, ruhig als fünftes Bandmitglied titulieren darf.

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Danke an:
Mirja Kofler (Text) und Maria Siebenhaar (Bilder).

Hier geht es zum Bericht:
Kaltern Pop Festival 2016 – So war Tag 1“ und
Kaltern Pop Festival 2016 – So war Tag 3