Jazz kann man nicht beschreiben. Überjazz erst Recht nicht.


Überjazz Festival 2019
So war der Samstag beim Überjazz Festival 2019 in Hamburg. (Bild: stagr / Axel Schilling)

Die Meisten stehen wohl nicht selten vor einer Jazz-Combo und fragen sich, ob das Gespielte nun improvisiert oder tatsächlich so geplant war. Das hindert aber nicht daran, die Musik zu lieben. Jazz ist so vielseitig wie kaum eine andere Musikrichtung und wurde vom ÜBERJAZZ 2019 entsprechend gefeiert.

Wir waren am Samstag, dem letzten Abend des Festivals, in den Hallen von Kampnagel und erlebten Bands, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Den Abend eröffnete der 24-jährige RALPH HEIDEL mit Elektronik und Crossover Jazz. Begleitet von seinem achtköpfigen Ensemble HOMO LUDENS mit Streichquartett und Jazz Rhythmus Gruppe.

Weiter ging es in der größten Halle – K6. LIUN & THE SCIENCE FICTION BAND packten die halbe Bühne in Alufolie ein und versetzten das Publikum in einen Trancezustand. Dunkle Beats, schillernde Synths – und dazu die strahlende Stimme der Schweizer Sängerin Lucia Cadotsch schafften „eine fantasmagorische Welt als Spiegelbild unserer widersprüchlichen Zeit“.

Wieder eine andere Halle und wieder eine neue Welt. Die Multiinstrumentalistin, Sängerin und Komponistin ANGEL BAT DAWID war von Beginn der Mittelpunkt ihrer Band THE BROTHAHOOD. Sie wechselte die Instrumente schneller, als die Zuschauer blinzeln konnten und transportierte ihre positive Energie nicht nur musikalisch. Der Percussionist strich mit Perlenketten über gesammelte Dinge, die einen Ton machten und der Trompeter fiel besonders durch seinen elektrisierten Tanzstil auf. Fast alle Musiker sollten wir später noch einmal sehen – in der ersten Reihe beim Headliner.

Nach einem kurzen Abstecher zum Berliner Produzenten, DJ und Bassisten MAX GRAEF mit seiner Band 2MORPH, statteten wir einer ganz speziellen Combo einen ebenso kurzen aber intensiven Besuch ab. Die MINYO CRUSADERS spielten traditionelle, japanische Folksongs. Gemixt mit teilweise sehr überraschenden Stilrichtungen. So wusste man zeitweise nicht, ob man eine mexikanische Mariachi Band oder eben doch eine Afrofunk-Combo vor sich hatte. Sehr speziell und dabei besonders charmant.

Unser Highlight des Abends stand endlich auf der Bühne. Das Londoner EZRA COLLECTIVE. Die fünfköpfige Band hat in diesem Jahr ihr erstes Album „You Can’t Steal My Joy“ veröffentlicht. Darauf zu hören sind auch Loyle Carner, Jorja Smith sowie die Londoner KollegInnen von Kokoroko. Wer auf stagr.de etwas sucht, findet zu allen genannten Künstlern Fotos und Berichte. Denn alle waren gerade erst in Hamburg. Das EZRA COLLECTIVE hätte mit seinen Reggae und HipHop Elementen die Halle eigentlich zum Kochen bringen müssen. Aber das Hamburger Publikum ging an diesem Abend meist etwas zu akademisch an die Musik heran und war sehr zurückhaltend. Zumindest auf den zahlreichen Sitzplätzen.

Schließlich war die Zeit für Melbournes Future-Soul-Sensation HIATUS KAIYOTE gekommen. Die erste Reihe vor der Bühne füllte sich schnell. Darunter Musiker vieler anderer Bands. Wer wollte sich HIATUS KAIYOTE schon entgehen lassen? Nur EMMA-JEAN THACKRAY konnte die Show nicht genießen – sie hatte selber noch zu tun und performte parallel mit ihrer Band WALRUS in der kleinsten aller Kampnagel Hallen. HIATUS KAIYOTE Sängerin Nai Palm betrat die Bühne wie einen Catwalk im Leoparden Catsuit. Die tätowierten Schlangen auf ihrem Hals machten sofort Sinn, als sie anfing zu singen – präzise, explosiv und geradezu bissig. Insgesamt fiel auf, wie akkurat die Musiker spielten. Kein Wunder, dass sie zu den einzigartigsten Bands unserer Zeit zählen. Und wer kann schon von sich behaupten, Samples für Kendrick Lamar, Anderson .Paak oder Drake zu produzieren.

Das ÜBERJAZZ hat ein feines Gespür für besondere Bands und Musiker und ist so wirklich nicht nur für Jazz Experten ein Highlight. Besonders R&B, Hip-Hop und Reggae Fans kommen hier auf ihre Kosten. Auch die Location Kampnagel hat natürlich einen unvergleichlichen Charme. Wir freuen uns auf das nächste Jahr.