Hurricane Festival 2025 – Freitag: Unsere Highlights


Hurricane Festival 2025 – Freitag: Unsere Highlights
Der Freitag startete beim Hurricane Festival am 20. Juni 2025. (Bild: Günther Rojahn)

Der Freitag beim 29. Hurricane Festival am Eichenring in Scheeßel war ein wummerndes Versprechen für ein Wochenende voller Emotionen, Musik und kollektiver Ekstase. Schon am Donnerstag ging der Einlass auf die Campingflächen sowie die Bändchenausgabe entspannt von Statten. Und schon am selben Abend konnten die Besucher im Palastzelt erste Konzerte erleben, u.a. von 100 Kilo Herz, Raum27, Beauty & the Beats und vielen weiteren.

Am Freitagvormittag wehte ein laues Lüftchen durch die Zeltstadt – bei 23 Grad, strahlendem Himmel und nur ein paar Wolkenfetzen ließ es sich bestens anstoßen. Das Hurricane, seit 1997 ein sicherer Hafen für Indie-Rocker, Elektro-Tänzer und Punk-Romantiker, bewies auch diesmal wieder, warum es Kultstatus genießt. Mit großen Namen wie Rise Against, Annenmaykantereit, Alligatoah und Biffy Clyro die gleich am ersten Tag das Publikum von den Campingstühlen rissen, geriet der Freitagabend zum Tanzmarathon zwischen Bierstand und Wellenbrecher. Besonders waren aber auch die Auftritte von Acts wie Girl in Red, Von Wegen Lisbeth, Olli Schulz, Motionless in White, sie ließen selbst hartgesottene Festivalveteranen ihre Stimme gen heiser riskieren. Während auf den Arealen von den vier Stages (River, Forest, Mountain und Wild Coast) der Moshpit bebte, sang man am Zeltplatz im Chor – Hurricane ist eben nicht nur Festival, sondern kollektives Sommermärchen.

Soundtechnisch glänzten alle Bühnen: satter Bass, klare Höhen und nur gelegentlich überforderte Trommelfelle – wie es sich gehört. Die Security blieb gewohnt entspannt. Wer es ruhig wollte, konnte einen der zahlreichen Foodstände frequentieren oder entspannte einfach etwas im Hintergrund der Bühnenbereiche  – angenehm für alle, die kurz den Bass im Bauch pausieren lassen wollten. Mit diesem Freitag hat das Hurricane einmal mehr gezeigt: Hier trifft Wetterglück auf Musikliebe – und wer einmal da war, kommt wieder.

Kate Nash

Die britische Indie-Pop-Ikone, die mit ihrem Debütalbum Made of Bricks 2007 den Soundtrack für eine ganze Tumblr-Generation lieferte, zeigte einmal mehr, warum sie mehr ist als nur Foundations und ein hübscher Akzent. Mit ihrem frechen britischen Akzent, cleveren Texten und einer guten Portion Riot-Grrrl-Attitüde verwandelte sie die Bühne in Scheeßel in eine nostalgische Tanzfläche. Hits wie Foundations und Mouthwash durften natürlich nicht fehlen – und wurden vom Publikum lauthals begleitet, als gäbe es keine Nachbarn im Zelt. Doch Nash zeigte auch ihre punkige Seite und ließ neue Songs krachen, die deutlich machen: Sie ist noch lange nicht im Nostalgie-Modus angekommen. Zwischen den Songs plauderte sie charmant, machte Witze über Festivalchaos und holte Fans kurzerhand zum Mitsingen ans Mikro. Was ihre Musik so besonders macht, ist dieser Mix aus Tagebuch-Poesie, eingängigen Refrains und dem Mut, immer wieder neue Sounds zu probieren. Ihr Auftritt war keine glatt inszenierte Popshow, sondern ein lebendiges Indie-Feuerwerk mit Ecken, Kanten und jeder Menge Herz. Kurz gesagt: Wer Kate Nash beim Hurricane verpasst hat, hat einen der authentischsten und tanzbarsten Momente des Festivalfreitags liegen lassen.

Olli Schulz

Olli Schulz und seine Liveband haben, wie erwartet, mit Witz, Herz und überraschender Lautstärke das Gelände in Schwung gebracht. Ollis trocken-humoriger Plauderton durchzog die Show, ansonsten sorgten eingängige Melodien wie aus dem Reclamheft für angenehmen Schwung in der Masse. Klassiker wie „So lange in die Nacht rein“ und „St. Pauli“ waren dabei, und Schulz bewies, dass seine Fähigkeit, Alltagspoesie mit charmantem Deutschpop zu verweben, auch live genauso funktioniert wie im Studio. Neue Stücke fügten sich nahtlos ins Set ein und zeigten: Der Typ aus Hamburg bleibt kein Nostalgie-Act, sondern entwickelt sich musikalisch weiter. Die Band spielte tight, mit dezenten Folk- und Americana-Einsprengseln – was dem Festivalpublikum einen willkommenen Soundteppich bescherte. Seine sympathische Direktheit höchstpersönlich, kombiniert mit cleveren Songideen, machte das Konzert zu einem authentischen Erlebnis zwischen Schmunzeln und Gänsehaut. Wer dachte, Olli Schulz sei nur was für gemütliche Clubabende, wurde eines Besseren belehrt – auf dem Hurricane 2025 Olli achtvoll rockte. Ein cleveres, warmherziges Set mit dem feinen Etwas, das Festivalfreunde zu schätzen wissen.

Girl in Red

Girl in Red hat am Freitag beim Hurricane mal eben bewiesen, warum Bedroom-Pop auch Open-Air-mächtig sein kann. Die Norwegerin, bürgerlich Marie Ulven, lieferte ein energiegeladenes Set, das von leiser Melancholie bis zu brachialer Indie-Power alles bot. Mit Songs wie I Wanna Be Your Girlfriend und Serotonin brachte sie ihre queeren Hymnen und rohen Gefühlsausbrüche direkt in die tanzwütige Menge. Was ihre Musik so besonders macht? Ehrliche Texte über mentale Gesundheit, Liebe und Chaos – verpackt in eingängige Hooks, die sofort ins Herz und in die Beine gehen. Live mischte sie charmante Ansagen mit krachenden Gitarren und sprang über die Bühne, als hätte sie das Hurricane ganz allein gemietet. Wer dachte, Girl in Red sei nur was für Spotify-Playlists im Bett, wurde hier eines Besseren belehrt: Das war Indie-Rock zum Mitschreien und Durchdrehen. Am Ende blieb ein euphorisiertes Publikum zurück – und das gute Gefühl, gerade eine Künstlerin erlebt zu haben, die ihre Generation wirklich versteht. Scheeßel kann sich glücklich schätzen: Girl in Red hat den Festivalfreitag kurzerhand zum queeren Indie-Triumphzug gemacht.

Biffy Clyro

Als Biffy Clyro am Freitagabend die Forest Stage des Hurricane Festivals stürmten, war sofort klar: Hier wird kein gefälliger Rock serviert, sondern ein klanggewaltiges Spektakel mit Herzblut. Frontmann Simon Neil und die Brüder James und Ben Johnston zeigten vom ersten Ton an, dass sie Meister darin sind, rohe Energie und fein arrangierte Melodien in eine mitreißende Live-Show zu verwandeln. Ob bei Hymnen wie Mountains, Bubbles oder dem unsterblichen Many of Horror – die Menge wurde zwischen massiven Gitarrenriffs und zerbrechlichen Momenten förmlich in den Bann gezogen. Typisch für die Schotten ist dabei ihre Gratwanderung zwischen eingängigem Alternative-Rock und überraschenden, progressiven Soundausbrüchen – eine Mischung, die sie auch beim Hurricane virtuos zelebrierten. Besonders beeindruckend war die beinahe magische Bühnenchemie: Jeder Blick, jeder Break saß perfekt, als würde die Band wortlos miteinander kommunizieren. Mit Songs ihres aktuellen Albums A Devastating Liberation bewiesen Biffy Clyro zudem, dass sie auch 2025 nichts an musikalischem Mut und textlicher Tiefe eingebüßt haben. Ihr Auftritt war weniger ein Konzert als ein emotionaler Wirbelsturm: wuchtig, berührend, unberechenbar – und ein absolutes Highlight des Festivals.

Rise Against

Rise Against rüttelten am Freitagabend das Hurricane Festival 2025 auf der River Stage mit einer ungebremsten Ladung Politpunk und mitreißender Energie wach. Seit über zwanzig Jahren bekannt für ihre Mischung aus druckvollen Riffs, eingängigen Melodien und klarer Haltung, bewiesen Tim McIlrath, Zach Blair, Joe Principe und Brandon Barnes einmal mehr, warum sie live so geschätzt werden. Mit Hymnen wie Prayer of the Refugee, Savior und Give It All verwandelte die Band das Gelände in ein kollektives Bekenntnis zu lautstarkem Protest und bedingungslosem Mitsingen. Dabei bestachen sie nicht nur durch präzises Zusammenspiel und fesselnde Refrains, sondern vor allem durch ihre unbequemen, aber nötigen Botschaften gegen soziale Schieflagen und politischen Stillstand. Die Nähe zur Menge war an diesem Abend spürbar: Jede Zeile wurde von tausenden Kehlen zurückgerufen, als wären Band und Fans ein einziger rebellischer Chor. Mit ihrem aktuellen Werk Nowhere Generation II bewiesen Rise Against zudem, dass Punkrock mit Haltung auch 2025 alles andere als altbacken klingt – im Gegenteil: druckvoller, schärfer und relevanter denn je. Kein rückwärtsgewandtes Nostalgieprogramm, sondern ein leidenschaftlicher Weckruf mit verzerrten Gitarren – laut, aufrüttelnd und absolut auf den Punkt.

Annenmaykantereit

AnnenMayKantereit zeigte am Freitag beim Hurricane, warum ihre raue Live-Wirkung längst Kultstatus erreicht hat. Die Band um Henning May, dessen heisere Stimme zum Markenzeichen der deutschen Indie-Landschaft wurde, führte das Publikum mit Hits wie Oft gefragt und Barfuß am Klavier in die Tiefen echter Emotion – kombiniert mit Post-Rock-Grooves aus. Ihre Musik lebt von handgemachtem Pop-Rock, ehrlicher Poesie und einer Schippe rauer Attitüde – eine Mischung, die live noch intensiver zur Geltung kommt. Auf der Forest Stage um 23 Uhr geladen, wurde ihr Set zu einem stimmungsgeladenen Höhepunkt des ersten Festivalabends. Dabei veredelten sie bekannte Songs mit spontanen Momenten, etwa kraftvollen Gospel-Harmonien in Pocahontas oder zarten Streichersatz-Passagen neuerer Stücke. Das Konzert war keine gezähmte Stadionshow, sondern fühlte sich an wie ein vertrautes Wohnzimmer-Klanggewitter unter freiem Himmel. Wer dachte, AMK servierten nur gefällige Hymnen, wurde hier durch emotionale Nuancen und groovige Überraschungen eines Besseren belehrt. Und Scheeßel konnte sich glücklich schätzen – AnnenMaykantereit haben dem Hurricane-Freitag nachdrücklich ihren Stempel aufgedrückt.

Landmvrks

Melodischer Metalcore ist mehr als bloß Blastbeats und Breakdown-Wahnsinn – mit den Landmvrks war das eher ein orchestrierter Adrenalin-Kick mit Herz. Ihr energiegeladenes Set wurde von treibenden Gitarrenriffs, sphärischen Clean-Parts und emotional aufgeladenen Shouts getragen – ideal für jene, die Härte und Melodie im selben Beat suchen. Mit Tracks wie Reckoning und Painful Sight zeigten sie, dass ihre jüngeren Releases nicht nur YouTube-Hits, sondern Bühnenknüller sind, die auch Festivalcrowds ins Wanken bringen. Die Band spielte tight, aber impulsiv – jeder Übergang zwischen Groove und Geballer saß wie ein Uhrwerk. Sänger Florent Salfati bewies seine vokale Bandbreite live: von heftigem Screaming bis zu klaren, fast zerbrechlich wirkenden Momenten. Was diesen Auftritt besonders machte, war die echte Spielfreude und Nähe zur Menge – kein inszenierter Abriss, sondern ein kollektiver Ausbruch. Wer dachte, Metalcore beim Hurricane seien nur Lärm, erlebte hier handwerkliches Können und Emotion in High Definition. Landmvrks haben Freitag mit einem mitreißenden Soundbad bereichert – ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst.

Alligatoah

Alligatoah hat am Freitag mal wieder gezeigt, warum er im deutschen Festivalzirkus ein ganz eigenes Genre bespielt: Rap-Kabarett mit Stadionqualitäten. Mit seiner Mischung aus sarkastischen Texten, Theaterbühne und poppigen Refrains verwandelte er Scheeßel in eine bittersüße Party zwischen Zynismus und Mitsing-Ekstase. Hits wie Willst du und Fick ihn doch rissen die Menge mit – kein Wunder, schließlich sind sie längst Kultgut für Fans, die ihre Ironie gern lautstark mitgrölen. Sein Markenzeichen bleibt dabei: Geschichten erzählen, die absurd, böse und doch verdammt eingängig sind – wer’s einmal live erlebt hat, versteht, warum seine Shows mehr Spektakel als Konzert sind. Begleitet von einer prallen Band, Requisiten und einem augenzwinkernden Bühnenbild, blieb beim Hurricane kein Platz für Langeweile. Alligatoah wechselt mühelos zwischen Komiker, Rockstar und singendem Zyniker – und das macht ihn zu einem der unterhaltsamsten Acts im Line-up. Wer also beim Hurricane dachte, Rap sei nur Bass und Flexerei, bekam hier eine scharfzüngige Lektion im Pop-Theater deluxe. Dieser Auftritt war ein Beweis, dass clevere Texte und Festival-Eskapismus eine unschlagbare Kombi sind – und Alligatoah liefert beides wie kein Zweiter.