Hurricane Festival 2017 – So war der Sonntag


Seit Samstag Nacht hat es immer wieder geregnet beim Hurricane Festival 2017. Nach dem Unwetter vom Donnerstag und wiederholten Regengüssen während der letzten zwei Tage, ist der Boden nun wirklich durch. Zelt- und Parkplätze sowie das Festivalgelände gleichen einem Matschfeld. Heute braucht keiner der Besucher ohne Gummistiefel oder Regenjacke aufs Field kommen. Wetterbedingt zeigt sich aber auch bereits der erste Abreiseverkehr oder es wird zumindest gepackt. Nach Headliner Casper wird ein ganzer Track Autos von den verschlammten Plätzen gen Heimat fahren. Die gute Laune der Festivalbesucher ist aber ungebrochen.


Hurricane Festival 2018 Tickets + Infos:

Kakkmaddafakka

Was nach derbem Hip-Hop-Shit klingt, bedeutet eigentlich etwas wie Partytier oder Partylöwe. Auf der Green Stage ist am frühen Sonntagnachmittag also Wohlfühl-Indie statt krassem Diss aus den Blocks angesagt. Schnell kommt ein Gefühl von Freiheit und guter Laune auf, wenn die Musik der sechs Künstler einsetzt. Schon seit 2004 gibt es die Band: ihre Fanbase wuchs schneller und schneller, auch international begeisterten sie schnell. Witzige Sprüche gehören mit zu der gelungenen, musikalischen Performance. Sympathisch, die Jungs von Kakkmaddafakka.

seasick steve

Handgefertigte 3-saitige E-Gitarre und eine einzigartige Klangkulisse, Seasick Steve ist bereits über 70 Jahre alt. Das hält den Blues-Musiker aber nicht davon ab, seine rhythmischen Kompositionen in Form einer Live-Show beim Hurricane 2017 zum Besten zugeben. In seinen Songs erzählt Seasick Steve alias Steve Wold seine eigene, nicht immer leichte Lebensgeschichte. Poetisch und authentisch ist seine Musik, die ihn erst spät im Leben zu der populären Figur gemacht hat, die er heute verkörpert.

257ers

Wer es durchgeknallt mag, ist am Nachmittag mit der Hip Hop-Crew aus dem Kohlenpott bestens bedient. Das Duo liefert derben Sound und eine wilde Live-Show. Mitgröhlen kann dabei jeder, das ist ein einfaches Motto. Mit ihrer ganz eigenen Definition von deutschem Rap haben die 257ers ihr Markenzeichen geschaffen: bekloppte Texte mit Banalitäten als Ausgangspunkt für selbstironische Wortfeuerwerke. Dazu gibt es von aniel „Shneezin“ Schneider und Mike Rohleder Beats, die einem Kirmesbesuch auf LSD gleichen. Mit Wortwitz wird endlos gereimt und jedes noch so trashige Musikgenre oder deutsche Liedgut wird als liebgemeinte Hommage umgewurschtelt.

Gogol Bordello

Die New Yorker Band bestand früher lediglich aus Sänger Eugene Hütz und seiner Gitarre, schnell entstand daraus ein Trio und bis heute ist man auf stattliche neun Musiker angewachsen. Gogol Bordello stehen für einen vollkommen neuen Sound, einige bezeichnen es als Zigeunerpunk mit einem Mix aus Reggae und Rock’n’Roll bis hin zu spanischen Flamenco-Einflüssen und slawischen Klängen. Eine wilde Mischung also und ein einzigartiger Stil, der vor allem hier beim Hurricane 2017 auf viele Fans stößt. Live ist die Band ein echtes Highlight.

Die Kassierer

Über Die Kassierer muss man eigentlich nicht viel sagen, außer vielleicht: Wölfi for President! 1985 erblickte die Punkband in Wattenscheid das Licht des Bieres… äh … der Welt. Seither lebten die (alten) durstigen Männer für ihre Musik und tun das hoffentlich auch noch lange Zeit. Versucht man die Musik der Herren zu definieren, muss man zwangsweise das Wort Bier drin vorkommen lassen. Aber auch ihre Bühnenshow lässt sich herrlich mit dem Gerstensaft definieren. Diese Band sorgt für viel Spaß und das Infield vor der Red Stage feiert die Punklegenden, vor allem für ihre Hits „Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist“, „Besoffen sein“ und „Blumenkohl am Pillemann“.

Bilderbuch

Andy Warhol meets Hip Hop – Falco meets Red Hot Chili Peppers – 4 Wiener Schulknaben treffen auf die 80er Jahre – Green Day meets Dadaismus. Zahlreiche Einflüsse erkennt man bei der band Bilderbuch und doch haben die Jungs es geschafft, etwas ganz neues, eigenes, ja eine komplette Marke um sich herum zu schaffen. Der „Schock“ fährt einem in die Knochen. Es ist der Schick Schock. Ihr Musikstil ist ein bunter Mix aus Indie Rock, Punk und Hip Hop. Klingt aber super, wenn Sänger Maurice Ernst so richtig loslegt. Wobei nichts an ihrer Darbietung wirklich „ernst“ ist, der Spaß steht eindeutig im Vordergrund. Groovige Beats und dreckige Gitarrenriffs – die Energie jedes einzelnen Bandmitglieds schwappt auf das Publikum über. Es ist ein Geben und Nehmen. Fast wie bei gutem Sex. Und genau damit kokettieren die vier Jungs, während sie galant im Wiener Slang über die Konsumwelt witzeln und unsere Popkultur analysieren.

LP

Die 35-jährige Laura Pergolizzi alias LP hat eine Stimme, die im Ohr bleibt. Mit „Lost On You“ hat sie einen Megahit in 17 verschiedenen Ländern gelandet. Songtexte für Rihanna, Christina Aguilera und sogar die Backstreet Boys hat sie geschrieben. Und nun landet die gefühlvolle Sängerin mit der unverwechselbaren Stimme beim Hurricane Festival. Die Songwriterin hat in ihrer fast 20-jährigen Musikerkarriere bereits einiges erlebt, sie schenkt den Hörern ihrer Songs tiefe Einblicke in seelische Abgründe und gleichzeitig schenkt Hoffnung. Die US-Amerikanerin ist homosexuell und verkörpert eine befreiende Offenheit zu diesem Thema, und sie engagiert sich wo sie kann für Menschen in Not.

You me at Six

Die britische Alternative-Rockband ist endlich wieder da. Mit ihrem Mix aus Pop-Punk, Alternative-Rock und gelegentlichen Hardcore-Einflüssen hat das Quintett nach längerer Pause nun wieder Bock auf ein neues Level. Fünf Studioalben beherbergen die Songs der Briten, das aktuelle Werk „Night People“ ist noch frisch und stammt aus Januar 2017. Mit etwas mehr Pep und Reife zeigen sich You Me At Six auch live auf der Bühne. Gute Laune und Vollgas stehen bei Josh Franceschi, der sein volles Stimmpotential entfaltet, und den vier Bandkollegen an erster Stelle. Die positive Energie schwappt bis ins Field über und trotz Schlamm wird vor der Bühne getanzt.

Jennifer Rostock

9 Jahre Bandgeschichte und 5 Alben, unzählige Live-Auftritte, Festivals und Touren: Jennifer Rostock sind in heute aus unserer Musiklandschaft nicht mehr wegzudenken. Auch wenn der Weg nach oben nicht immer einfach war und sehr provokant, das Quintett bleibt sich immer treu. Auf der Bühne, in Interviews und auch in den sozialen Medien zeigt sich Frontfrau Jennifer Weist immer direkt, aber authentisch. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund und das lieben die Fans so an ihr. Ihre Musik haut in die gleich Kerbe, eine handgemachte Mischung aus Punk und Rock – laut, rotzig und frech und dazu am Puls der Zeit. Aktuelle Themen werden gekonnt zwischen die Töne gestopft. Wie man es von Jennifer Weist kennt, ist sie auch bei diesem Auftritt leicht bekleidet und wie ein hüpfender Flummi dauerhaft in Bewegung, dass einem fast schwindelig wird.. Der intimen Nähe zwischen den Fans und ihr sind keine Grenzen gesetzt. Welcher Zuschauer danach mit trockenem T-Shirt oder ohne blaue Flecke unterwegs ist, der hat sich wohl die meiste Zeit auf dem Dixie-Klo versteckt.

Wolfmother

Wolfmother kommen mit einem breiten Grinsen auf die Bretter der Blue Stage. Ohne großen Schnick-Schnack hauen sie direkt in die Saiten und tasten. Wer Wolfmother zum ersten Mal live sieht, weiß noch nicht, dass sich jeder Song wie ein Hit anhört. Wie bei vielen Musikern ähneln sich eine Vielzahl der Songs, aber Wolfmother haben es irgendwie geschafft, die Büchse der Pandora mit ihrer Stoner-Blues-Rock-Schiene zu öffnen. Diese Drei-Mann-Formation mit Andrew Stockdale, reißt das Infield ohne großen Aufwand und ohne jede Pyro-Show komplett ab. Dazu ein großes Drum-Set mit impulsivem Schlagzeuger, bei dem die tiefen Toms und die großen Becken wirklich Sinn machen. Zwischen psychedelischen Rock-Tönen und Blues-Stoner-Gitarrenlärm, findet sich aber auch noch eine E-Orgel an. Ian Peres der seit 2009 in dieser Formation angehört, spielt diese im schnellen Wechsel mit seinem Bass. Wolfmother liefern eine wirklich atemberaubende, kraftvolle Rock-Show ab!


Mando Diao

Mando Diao – das sind Björn, Carl-Johan, Daniel, Jens und Patrik, entern mit ihrer neuen Platte „Good Times“ (VÖ Mai 2017) im Gepäck gut gelaunt die Green Stage. Die unverwechselbaren Riffs der schwedischen Band rufen bei vielen Festivalbesuchern Erinnerungen an den ersten Kuss, die erste Party oder das erste Festival wach. Gemeinsam mit ihren Fans ist das Quintett nun erwachsen geworden und sie schaffen es mittlerweile spielend, generationenübergreifend die Menschen zu faszinieren. Ein neues Kapitel ist aufgeschlagen. Mit den neuvertonten Songs und Lyriks aber natürlich auch mit den Hits einer ganzen Genration „Down in the Past“, „Dance with Somebody“, „Gloria“ und „God Knows“ rocken sich die Schweden heute in alle Herzen.

Archive

Trabenden 90er Synthesizer-Sounds, plus gewaltige Portionen anderer Instrumente hageln mit durchdachten Klängen über den Eichenring. Die beeindruckenden Klangfarben der Kompositionen lassen selbst Nicht-Fans zum Fan erstarren. Hier gibt es keine eindeutigen Strukturen wie Sänger, Gitarrist oder Rhythmusinstrumentalist. Sämtliche Töne, selbst die kleinen Nuancen, schnüren den Stil-Sack der Kapelle zu. Archive entpuppen sich als musikalisch abwechslungsreich aber trotzdem behalten sie ihren eigenen Musikstil und Wiedererkennungseffekt bei. Diese Band ist definitiv ein geschliffener Diamant mit all seinen Schönheiten. Das Zelt der White Stage fängt den persönlichen Sound der Kapelle in vollem Umfang ein und das Londoner Kollektiv berscherrt dem Hurricane-Publikum einige musikalische Höhepunkte.

Alt-J

2,5 Jahre nach ihrem Album „This Is All Yours“ sind die Briten mit „Relaxer“ zurück und dringen damit wieder in eine neue Sound-Galaxie vor. Die Kreativität und Musikalität des Trios ist ungebrochen. Joe Newman, Gus Unger Hamilton und Thom Green zeigen auf der Blue Stage, das weniger auf jeden Fall mehr ist. Mit einfachem Gitarrenzupfen und orchestralen Klängen führen sie die Zuschauer durch unkonventionelle Songstrukturen. Dabei klingen die drei Musiker neu, ohne experimentell zu wirken. Die originelle Melodieführung, der summend-näselnde Gesang gepaart mit dem vielfältigen Instrumenteneinsatz sorgen für ein intensives Alt-J-Musikerlebnis.

Casper

Deutschlands Ausnahme-Indierapper Casper als Headliner beim Hurricane? Und ob! Zletzte spielte Casper auf der kleineren Red Stage, der Platz für die vielen Fans reichte damals nicht annähernd aus. Gut 2 Jahre später ist Benjamin Griffey sogar noch erfolgreicher. Sein angekündigtes neues Album „Lang lebe der Tod!“ wird bereits seit 1 Jahr sehnlichst von der Musikwelt erwartet, das Veröffentlichungsdatum verschob sich leider immer wieder. Ein neuer Zyklus im künstlerischen Schaffen von Casper ist bereits eingeläutet. Dunkel und eindringlicher geht es jetzt zu bei dem gebürtigen Extertaler und trotzdem hat er alles in unwiderstehliche Songs verpackt, die am heutigen Sonntag  gemeinsam mit der Bühnen-Pyrotechnik wie Zunder brennen. Mit aller Wucht ist Casper zurück, er sprintet und springt nur so über die Bühne und wird dafür vom Publikum ordentlich gefeiert.

Die ausverkaufte 21. Auflage vom Hurricane Festival geht an diesem Sonntag im Juni nach drei spannenden Tagen und vielen großartigen Künstlern zu Ende. Die sicherheitsbedingten Mehr-Kontrollen und das erhöhte Polizeiaufgebot mit Maschinenpistolen sorgten zwar für mehr Wartezeiten, sorgten aber auch für einen reibungslosen und unproblematischen Festivalablauf. Der Termin für das Hurricane Festival 2018 steht natürlich schon fest: 22. bis 24. Juni. Wir freuen uns mit euch schon jetzt darauf!