Hurricane Festival 2017 – So war der Samstag


Der zweite Festivaltag zeigte sich wetterlich etwas unentschlossen. Nachdem der Freitag trocken und mit sommerlichen Temperaturen zu Ende gegangen ist, startet der Samstag mit einer Mischung aus dunklen Wolken und kleineren Regenschauern. Doch die Festivalgemeinde ist guter Stimmung, Gummistiefel und Regenponchos gehören heute einfach mit dazu, und schließlich stehen u. a. mit Linkin Park, Lorde, Blink-182, Editors, Axwell /\ Ingrosso, Halsey ja ein paar echte Highlights auf den vier Festivalbühnen.


Hurricane Festival 2018 Tickets + Infos:

NOTHING BUT THIEVES

Seit der Gründung 2012 in Essex haben sich Nothing But Thieves vom Support von Gerard Way oder Awolnation bis heute in die britischen Charts und aufs Line-Up des Hurricane Festivals 2017 geschlichen. Der Alternative Rock der fünf Briten erklingt am frühen nachmittag wuchtig und dass ohne dabei auf zarte Melodien und groovende Rhythmen zu verzichten. Conor Masons großartige Stimme hallt ungebremst über das noch leicht verschlafende Festivalgelände. Nothing But Thieves bringen einige Songs der neuen Scheibe „Broken Machine“ im Gepäck, die allerdings erst am 8. September veröffentlicht wird.

RED FANG

Bock auf Stoner-Rock? Unter den Feinschmeckern der Gitarren-Musik ist das immer eine gute Wahl. Normalerweise trifft man sich dafür in irgendeinem verrauchten Keller und bekommt – wie beim Dealer um die Ecke – für ein kurze Zeit das Hirn rausgeballert. Die Variante Stoner ist nur wesentlich gesünder. Red Fang aus Portland/Oregon spielen am frühen Nachmittag auf der Red Stage. Die Musik von Red Fang dümpelt irgendetwo zwischen Stoner-Rock und Sludge mit irgendwelchen psychedelischen Akzenten herum. Viele musikalische Elemente klingen, als hätte man sie irgendwoher schon mal aufgeschnappt, Stoner halt. Bei Red Fang steckt aber mehr Tempo und Energie drin. Sobald die verzerrten Gitarren ausarten und die Stimme von Frontmann Aaron Beam bebt, kehrt alles schnell wieder in das Grund-Schema zurück.

BARONESS

3 Jahre nach ihrem schweren Busunfall mischen die Metal-Götter Baroness mit frischen Songs wieder die Rockgeschichte auf. Ihr neues Album „Purple“ strotzt vor großen Riffs und Refrains, die seit jeher Baroness auszeichnen. Vielschichtig und emotional mit einem Hang zum Hook, die Band ersteht es gekonnt, ihr intelligente harte Musik an den Mann zu bringen. John Baizley und seine Bandkollegen präsentieren ihre besten Momenten aus Postpunk, Psychedelic, Hardcore und Indie. Eine Liveshow mit infernalischer Gitarrengewalt.

JP COOPER

JP Cooper ist ein ehrgeiziger Musiker, er ist immer bei der Sache und lebt die Musik. Seine Texte sind teilweise sehr intim, aber keinesfalls schnulzige Rockballaden und rein äußerlich wirkt Cooper eher wie ein Reggae-Liebhaber. Er trägt ein ausgestelltes Hemd, eine lockere Hose und einen Hut, die herausragenden Rastalocken sind sein Markenzeichen. Mit seiner wundervollen Stimmunge gibt sich der britische Newcomer ganz seinen Songs aus Pop, Indie Rock, Dance, Alternative Rock und Tropical House hin und lädt die Fans vor der White Stage ein zum mitsingen, tanzen, abschalten und genießen.

PASSENGER

In den vergangenen Jahren hat man Passenger allein mit seiner Gitarre und einer Loop-Station auf der Bühne gesehen. Nun hat er tatsächlich eine Band als Unterstützung dabei und sein aktuelles Album „Young as the Morning Old as the Sea“ bietet neues Material. Schon nach wenigen Minuten ist klar: Passenger mit Band funktioniert genauso gut wie Passenger allein mit seiner Gitarre. Der Sound ist ein wenig fulminanter, die Songs können schneller zünden denn schließlich muss keine Spur mehr live eingespielt werden. Das Zusammenspiel stimmt und das Rampenlicht gehört trotz allem nur Einem. Und der lässt es sich nicht nehmen, auch ausführlich zu erzählen. Kleine Geschichten gehören ebenso zu seinem Auftritt wie die Bekundung seiner Dankbarkeit für seine Fans.

JIMMY EAT WORLD

Jimmy Eat World kann man getrost als alte Hasen bezeichnen. Das punkrockende Quartett aus Arizona gibt es seit 1993, viele der heute hier stehenden Fans sind also nicht mal so alt. Da ist es doch schön, dass die 4 Jungs zwar die nötige Reife fund ihre richtig gute Musik mitbringen, aber immer noch so rebellisch dabei klingen wie in früher. Jimmy Eat World haben keinerlei Staub angesetzt, im Gegenteil. Von den Hymnen der alten Tage bis zu denen ihrer aktuellen Scheiben wird getanzt, gefeiert und mitgesungen, als hätte man nie etwas anderes getan.

DAVE HAUSE and the mermaid

Dave Hause gehört zu den Künstlern, die ihre Musik auf der Bühne leben. Er singt, spielt Gitarre, schreit, stampft mit dem Fuß, gestikuliert, zwinkert dem Publikum zu und tut alles, um seinen Songs die größtmögliche Präsenz zu geben. Zwischen den Stücken bringt er charmante Ansagen, kleine Anekdoten, macht Späße, improvisiert und ist nie um einen Spruch verlegen. Ist ist, als besuche man einen guten Freund. Dave präsentiert sich als ein Meister des Folk, Rock und Punk zugleich – und inhaltlich als einer der großartigsten Analysten des amerikanischen Zustands.

HEISSKALT

Vier Hardcore-Jungs machen harten Deutschrock und spielen sich dabei ihren Hintern ab. Bereits 2014 überraschten Heisskalt mit ihrem Debüt „Vom Stehen und Fallen“. Gut zwei Jahre brachten die Stuttgarter den Nachfolger „Vom Wissen und Wollen“ heraus. Sänger Mathias Bloech und seine Kollegen agieren brachial und präzise zugleich, die Red Stage taucht in ein Wechselspiel von düsteren Gitarren und euphorischen Momenten. Ein regelrechtes Klanggewitter, während vor der Bühne der Nieselregen wieder mal einsetzt.

KONTRA K

Maximilian Diehn alias Kontra K ist derzeit in aller Munde, denn der Berliner Hip-Hopper stürmt mit seinem Werk „Gute Nacht“ erneut die deutschen Album-Charts. Der Familienvater, Boxer und Coach schreibt gern über sich selbst und über sein Leben, und doch findet sich seine rasant wachsende Hörerschaft problemlos in den Texten wieder. Und das ist auch das Geheimnis seines Erfolgs: die Identifikation. Wo andere Rapper auf Gangster und unnahbar machen und damit auf Distanz gehen, da kommt Kontra K den Fans lieber nahe. Auf der Bühne ist der charismatische Rapper immer in Bewegung und gibt Vollgas, dabei lässt er auch gerne mal die (Bauch-)muskeln spielen. Die weibliche Fangemeinde gerät regelrecht in Verzückung.


ROYAL BLOOD

Mike Kerr und Ben Thatcher sind zwei, die hoch hinaus wollen. Der Sound des jungen Rock-Duos aus Brighton hat ordentlich Wucht und Reife und das bei einer dreijährigen Bandgeschichte von zwei Vorstadt-Jungs. Fette Bässe, treibende Backbeats zwischen Hard, Blues oder Stoner Rock, dazu Kerrs raues Organ, mit dem er ebenso gut singen wie schreien kann. Royal Blood sind steil auf dem Weg in das internationale Musikgeschäft.

LORDE

Wenn die charismatische Neuseeländerin die Bühne betritt, ist vom Publikum das reinste Kreischkonzert der weiblichen Fans zu hören. Seit Monaten spielt Lordes unglaubliche Stimme Pingpong mit unseren Synapsen, seit Monaten bringt diese groovie-funkie-pop-clap-clap-shake-your-head-Musik ungeahnte Muskeln von jedem von uns in Bewegung. Lorde, das frisch gebackene Grammy-Phänomen, spielt offensichtlich gerne mit den biochemischen Mechanismen ihrer Zuhörer und das macht sie auch beim Hurricane 2017 bravourös und scheinbar im Handumdrehen. Ihr aktuelles Album nennt sich passenderweise „Pure Heroin“ – Lorde macht einfach süchtig.

KENSINGTON

Kensington zählen zu den erfolgreichsten holländischen Bands aller Zeiten. Mit ihren Alben, „Rivals“ und „Vutures“ haben es Kensington geschafft auch europaweit Fuß zu fassen. Sogar Coldplay hat vor kurzem seinen Anhängern via Twitter ans Herz legt, dringend einmal Songs von Kensington zu hören. Das besondere Hit-Potential zeigt sich schnell auf der Red Stage. Ihr majestätisch, fast hymnisch anmutender Rocksound begeistert mit energiegeladenen Hits, der durch die markant-introvertierte Stimme von Sänger Eloi für erinnerungswürdige Liveshow sorgt!

NATHANIEL RATELIFF

Nathaniel Rateliff ist mit seinem kargen, melancholischen Folk aus seiner Soloarbeit zu einem breiten, souligen Band-Sound herangewachsen. Mit den Night Sweats an seiner Seite hat er nun ein Ventil für seine ungestüme Seite gefunden. Bemerkenswert, wie er seine Band auf der Bühne im Griff hat, mit einer Handbewegung koordiniert alle Abläufe ohne direkt im Rampenlicht zu stehen. Alles wirkt authentisch und zieht einen fasziniert in den Bann. Das erste Album in dieser Combo ist wirklich hörenswert und der Auftritt beim Hurricane 2017 zeigt, dass Rateliff und seine Jungs ganz schön auf der Höhe sind.

HALSEY

Die 22-jährige Lady aus New Jersey hat ein sehr beeindruckendes Gespür für Songs, die weit über Melancholie und Sex hinausgehen. In ihren Liedern gehen R’n’B, Soul, Pop und Elektronika eine Art heilige Mannigfaltigkeit ein, die den Ohren schmeicheln. Mit vollem Namen eigentlich Ashley Nicolette Frangipane, hat sie vor 2 Jahren mit ihrem Debüt-Album „Badlands“ die US Charts gestürmt und ist seither das androgyne, Pixie-Cut-tragende Poster-Girl der liberalen USA. Freimütig steht die Sängerin zu psychischen Problemen, ihrer Sexualität und ihren ethnischen Wurzeln – und ist damit Vorbild für Millionen von fans weltweit. Ihre Inszenierung schwankt zwischen Pathos, Patriotismus und Provokation. Auf der Blue Stage zeigt sich Halsey heute passender weise mit blauer Perücke, im Hilfiger-Style und mit Gummistiefeln. 

A DAY TO REMEMBER

Nachdem im Ende 2016 ihr Longplayer „Bad Vibrations“ erschienen ist, sind die Jungs von A Day To Remember nun in Deutschland zurück. Als A Day To Remember die Bühne stürmen, gibt es kein Halten mehr. Die Crowdsurfer purzeln in Strömen über die Hände der Zuschauer und in den ersten Reihen entbrennt ein ungezügelter Mosh Pit. Auch auf der Bühne steht niemand still. Allen voran fegt Frontmann Jeremy McKinnon über jeden verfügbaren Meter Fläche und ist von der Bühnenkante nicht weg zu denken. Immer wieder nimmt er Kontakt zu den Fans auf. Aber auch die Jungs an den Saiteninstrumenten – Neil Westfall (Gitarre), Joshua Woodard (Bass) und Kevin Skaff (Gitarre) treiben die harten Töne nach vorn. Für das Publikum gibt es nur eins: die schweißtreibende Liveshow in voller Bewegung zu genießen.

BLINK-182

Die Bühne ist umhüllt von Schall und Rauch. Die Schreie im Publikum verraten, das Blink-182 auf dem Vormarsch sind. Egal ob nun in Originalbesetzung oder mit Matt Skibavon von Alkaline Trio an der Gitarre, die Jungs brauchen keine Warmspielzeit, es geht von Anfang an nach vorne und sie tun es auf die Blink-182-Art. Vergessen sollte man nicht, dass die alten Skate-Punker einige Hits in petto haben. Travis Barker sitzt erhöht vor seinen zwei Saitenspielern und scheppert auf sein Drum-Set. Mit Becken-Spielchen und einer beachtlichen Geschwindigkeit zeigt er, das trotz des Älterwerdens noch einiges möglich ist. Das Publikum hat Bock und lässt es sich nicht nehmen, lauter als die Band mitzusingen. Feuer und CO2 Kanonen lassen das Bühnenbild aufregend und lebendig wirken, heute fehlt nur leider das brennende „Fuck“ über der Bühne. Solide verbraten die alten Hasen Hits wie „Feeling This“, „First Date“ oder „ I Miss You“ und springen auf der Bühne herum.

MAXïMO PARK

Die vier Briten aus dem beschaulichen Newcastle sind mit ihrem neuen Album „Risk to Exist“ wieder am Start. Immerhin blickt das Quartett auf eine nunmehr 17-jährige Musikkarriere zurück. Lange galt die Band als Spitze des britischen Indie-Rocks, jetzt gibt es auch mal Neuerungen. Synthie-Pop der 80er hier, Britpop der allerfeinsten Sahne dort, Garage-Indie obendrauf, dazu Hook-geladene Melodien und R’n’B-esker Shoegaze drum herum. Immer aber mit einem Markenzeichen: Sänger Paul Smith und seine cremige Stimme. Mit frischer Aktualität aus Weltpolitik, Solidarität und Empathie. Es ist schön zu sehen, dass Pop-Melodien auch mit ernsten Themen gleich viel leichter verdaulich sind.

EDITORS

Ein experimentierfreudig Musikmix aus Post-Punk, Synth-Balladen und dunkel angehauchtem Stadion-Rock – das alles aus Groß Britannien – kühlt das Hurricane auf der Blue Stage etwas herunter. Von dunkel-düster über 80er-Jahre-infiziertem Synthbombast bis hin zum ultrapompösen Indiepop-Dancefloorkiller, Editors zeigen einen gekonnten Mischmasch aus über einem Jahrzehnt Bandgeschichte. Dabei schaffen sie es, jeden ihrer Songs Editors so signifikant unterschiedlich klingen zu lassen, immer verbunden durch einen Hang zur Melancholie und dem Gänsehaut-Timbre von Tom Smiths.

LINKIN PARK

Die US-Band Linkin Park hat mit Songs wie „One Step Closer“, „Crawling“ oder „In The End“ das NuMetal- und Crossover-Genre entscheidend geprägt. Sie gelten als eine der größten und erfolgreichsten Rockbands unserer Zeit. Als absolute Premiere in der Festivalgeschichte vom Hurricane sind Linkin Park in diesem Jahr als Headliner auf der Green Stage. Mit „One More Light“ – dem im Mai erschienenen 7. Album, ist die Band musikalisch in eine neue Richtung gedriftet. Weniger aggressiv, dafür lebensfroh und melodisch. So wird das Alternative Metal-Monster nun von einer alten und gleichzeitig ganz neuen Fangemeinde erwartet. Linkin Park 2.0 machen wirklich keine schlechte Figur im Popmusik-Zirkus. Live connecten sich Sänger Chester Bennington und Co. mit den Fans und beziehen sie mit in ihren Auftritt ein. Rap-Talent Mike Shinoda gibt zwischendrin den Leader, wie immer cool und souverän. Linkin Park haben sich verändert, weiterentwickelt, sind erwachsen geworden. Und so schenken sie den Zuschauern bei ihrem Hurricane-Headliner-Auftritt eine echte Zeitreise, die Genre- und Songübergreifend alle 21 Jahre Bandgeschichte abdeckt.

FUTURE ISLANDS

Im Grunde spielt die US-amerikanische Band aus Baltimore um Frontmann Samuel T. Herring einen simpel gestrickten Synthiepop mit Postpunk-Elementen. Das Ganze geschickt von den drei Instrumentalisten drumherum arrangiert. Wobei William Cashion (Bass) und Gerrit Welmers (Synthies) fest zum Repertoire gehören – Michael Lowry (Drums) nur für die Liveshows dabei ist. In den Bann zieht einen aber vorrangig der 32-jährige Sänger Herring. Unrhytmische, eigentümliche Moves (die aber keinesfalls lächerlich wirken, sondern einfach authentisch) gepaart mit einer einzigartigen Stimme. Er wechselt ansatzlos zwischen souligem Ausdruck und growligem Geschrei, zwischen Gesang und Geschluchze. Wer an diesem Samstagabend Future Islands zusieht, wird vom Synthesizer-Sound direkt in die 80er zurückgebeamt. Man wird regelrecht durchgeschüttelt vom dunklen Soul in der Stimme des Sänger, wie z. B. in der Ballade „Candles“ und in „Seasons (Waiting On You)“, dem bislang größten Hit der Band.