Festival für die (schwarze) Seele – Plage Noire 2022 – Samstag


Plage Noire 2022 – Samstag
Am Wochenende des 6. und 7. Mai fand das Plage Noire 2022 statt. (Bild: stagr / Birgir Treimer)

Die Nacht war kurz. Und um 11:00 Uhr stand bereits das große Fotoshooting mit all den aufwendig hergerichteten Festivalbesuchern auf dem Programm. Die blitzblanken, hohen Schuhe versanken in dem feinen Sand, sorgsam gestylte Frisuren wurden ein letztes Mal gerichtet und schon stellte sich die Menge in Position. Denn auch in diesem Jahr sollte ein sorgsam vorbereitetes, schwarzes Strandbild entstehen.

THE FOREIGN RESORT

Den musikalischen Anfang des Tages machten The Foreign Resort. Im Salle de Fête boten die drei Dänen eine dunkle Mischung aus Post-Punk und New Wave. Stellenweise erinnerte der Sound auch durchaus mal an The Cure. Die stimmliche Bandbreite von Mikkel B. Jakobsen war übrigens durchaus beachtlich. Der bereits recht gut gefüllte Saal wurde dann auch noch dekorativ aufgewertet, indem etliche rot-weiße Dänemark Fähnchen im Publikum verteilt wurden. Danke für den stimmungsvollen Start.

WISBORG

Nun gingen auch im Le Chapiteau die Lichter wieder an. Wisborg bekamen ihre anfänglichen Soundprobleme zum Glück schnell in den Griff. Die smarten Gothic-Rocker sorgten bei einigen Damen für Verzückung. „Perfume & Cigarettes“ war fast schon romantisch angehaucht. Sänger Konstantin Michaely verzichtete auf große Ansagen zwischen den einzelnen Songs. Die Band nahm bei dem Titel „Becoming Caligari“ nochmal so richtig Fahrt auf, bevor mit „Spirits That I Called“ das kurzweilige Set bereits endete.

lacrimas profundere

Das gleiche Genre, die nächste Band. Lacrimas Profundere trafen zunächst auf ein etwas verhaltenes Publikum. Davon ließen sie sich aber keineswegs verunsichern. Ihre langjährige Bühnenerfahrung kam Ihnen durchaus zugute und ein paar Songs später setzten sich immer mehr Zuschauer rhythmisch in Bewegung. Julian Larre war daran nicht ganz unschuldig. Der charismatische Finne schien Oberteile für überflüssigen Ballast zu halten. Er fegte über die Bühne, wirbelte seinen Schopf umher und fand sich plötzlich mitten im Publikum wieder. Dort blieb er auch erstmal, schüttelte einige Hände, sang und tanzte zwischen den überraschten Leuten. Julian genoss es sichtlich umringt zu werden. „Remember When“ wurde als letzter Song angekündigt. Schmunzelnd gab er danach zu: „Doch nicht, I just wanted to have your energy”. Sein Plan ging auf. Der Rest der Band genoss diesen Auftritt auch sichtlich. Das ein oder andere, sehr breite Grinsen nahm den Rockern jeden Moment der Härte.

Combichrist

Nachdem Combichrist in den letzten beiden Jahren pandemiebedingt europaweit nur in reduzierter Version mit Oldschool-Electro-Sets aufwarten konnten, war die Band nun endlich wieder komplett auf der großen Bühne vereint. Leider startete der Gig mit einer zehnminütigen Verspätung. Die bemalten Gesichter von Frontmann Andy la Plegua und Gitarrist Eric Michael wurden zunächst von ihren Kapuzen verdeckt. Mit der aktuellen Single „Compliance“ nahm das Electro-Gewitter seinen Lauf. Wurde das große Zirkuszelt vor dem Auftritt noch ordentlich durchgelüftet, heizte sich die Luft bei diesem Auftritt rasch wieder auf. Hier ging richtig die Post ab. Andy fragte ehrfürchtig: „Can you feel it tonight? I will never take this for granted again”. Combichrist vereinten Metal Elemente mit ihrem brachialem Electro-Sound. Die Mischung stimmte. „I`ve never seen northern people dancing that much”. Und dies sollte sich auch beim letzten Song „Maggots at the Party“ nicht mehr ändern.

aesthetic perfection

Den eigentlich müden Knochen wurde keine Pause gegönnt. Wer sich Aesthetic Perfection nicht entgehen lassten wollte, huschte geradewegs wieder zum Salle de Fête hinauf. Die Show begann mit einer skurillen Swingnummer aus der 20er Jahren. „Warte, warte nur ein Weilchen“ beschrieb die Gräueltaten des Serienmörders Fritz Haarmann. Wenige Momente später enterte Daniel Graves mit zwei mysteriösen, maskierten Musikern die Bühne. Die geheimnisvollen Jungs nahmen ihre Plätze an den Drums und an einem seitlich nach vorn geneigtem Keyboard ein. Mit dem Opener „God`s & Gold“ gelang der Band ein kraftvoller Einstig. Daniel begrüßte das Publikum: „We`re Aesthetic Perfection from -everywhere“. Seinen neuen Mitstreitern gelang ein eindrucksvoller Start. Beide glänzten mit purer Spielfreude. Der Keyboarder griff auch zwischendurch zu seiner E-Gitarre und durch seine faszinierende Art baute er schnell eine Bindung zum Publikum auf. Der Saal war rappelvoll und die Stimmung hätte nicht besser sein können. „Seid ihr schon müde? Ich rede nie deutsch auf der Bühne, weil ich so unsicher bin“. Dabei stand hier ein äußerst professioneller und selbstsicherer Daniel vor uns. Die verschwitzte Menge setzte sich bei „Antibody“ gleich wieder hüpfend in Bewegung. „All Beauty Destroyed“ bezauberte in einer extrem gefühlvollen Akustik Variante, bevor der grandiose Gig nochmal mit „Love, Like, Lies“ zum finalen Aufbäumen animierte.

joachim witt

Nun wurde es Zeit für eine Legende. Joachim Witt ist mittlerweile 73 Jahre alt. Sein Coolness-Faktor ist jedoch ungebrochen. Die Neue Deutsche Welle Party konnte beginnen. „Der Goldene Reiter“ wurde von seinen Fans lautstark untermalt. Mittlerweile hat sich Witt ja eher wieder der Rockmusik zugewendet. Highlights seiner „Rübezahl“-Triolgie durften keinesfalls fehlen. Bedächtig ging es bei „Herr der Berge zu“. Generell erlebte man einen herrlich agilen Joachim Witt, der wie eh und je den ein oder anderen frechen Spruch auf Lager hatte.

In Strict Confidence

Auf der zweiten Bühne ging es derweil mit In Strict Confidence weiter. Visueller Genuss wurde hier mal wieder großgeschrieben. So ist man (wen wundert es) kreativ geworden und baute die Videoleinwand einfach in den großen Tisch ein. Die hübsche Gitarristin Haydee Sparks stand dekorativ davor. Aufwendige Video-Animationen wechselten sich mit Musikvideos von In Strict Confidence ab, die bekanntermaßen wahren Kunstwerken gleichen. Dennis Ostermann betörte seine Zuschauer zudem mit seiner einzigartigen, tiefen Stimme. So entstanden unweigerliche Gänsehaut-Momente bei Songs wie „Mercy“ oder „Seven Lives“

deine lakeien

Contenance! Schließlich gaben sich nun Deine Lakaien die Ehre. Ihr Album „Dark Star“ feierte kürzlich sein 30jähriges Jubiläum. Für das Plage Noire haben sich Deine Lakaien daher eine exklusive Überraschung ausgedacht. Sie präsentierten diesen Klassiker am Stück. Thematisch widmete man sich damals gänzlich der Liebe. „Weil die Liebe immer unser Thema ist, war und bleiben wird – Love me to the End“. Alexander Veljanov und Ernst Horn verzückten das Publikum mit dieser wunderbaren Zeitreise. Man vernahm zwischendurch leise Wortfetzen einiger Besucher. Die alten Stücke weckten schließlich Erinnerungen. Deine Lakaien berührten an diesem Abend auf eine sehr besondere Art und Weise.

leichtmatrose

In der dritten Area, dem La Rotonde wurde es nun nochmal eng – auch auf der kleinen Bühne. Denn Leichtmatrose teilten sich das bisschen Platz zu fünft. Somit musste sogar ein Teil des Equipments weichen und neben der Bühne platziert werden. Bevor die Matrosen ablegen konnten, streikte jedoch die Technik. Nach 15 Minuten hieß es dann: Leinen los. Sänger Andreas Stitz trug zu Beginn eine warme Felljacke – Musiker sind manchmal verdammt hart im Nehmen. Das Rotonde war prall gefüllt und die Luft dementsprechend hitzig. Hier ging es nun heiß her. Die Laune war auf allen Seiten phänomenal und somit war eine Menge Spaß garantiert. Die Indie-Rocker begeisterten mit Stücken wie „Karma Polizei“ oder „Johnny fand bei den Sternen sein Glück“. Andreas lief immer wieder ins Publikum und lud seine Anhänger ein, mit einzustimmen. Die Ferienanlage hat den dazugehörigen Wellnessbereich jedenfalls nicht umsonst beworben. Ein gewisses Sauna-Feeling gab es bei diesem Konzert inklusive.

And One

Wenige Wochen vor dem Festivalstart wurde noch eine Line-Up Änderung kundgetan, die für Diskussionen sorgte. Fields Of The Nephilim konnten leider erneut nicht dabei sein. Stattdessen verkündete man And One als neuen Headliner für den Samstagabend. Die beiden Bands liegen musikalisch gesehen weit auseinander. Zudem hat sich Steve Naghavi zu Pandemiebeginn mit verschwörungstheoretischen Ansätzen nicht nur Freunde gemacht. Niemand wusste genau, was einen an diesem Abend erwartete. Um 23:30 Uhr fiel dann der schwarze Vorhang und And One standen tatsächlich auf der Hauptbühne. Im Publikum waren vereinzelt gebastelte Aluhüte zu sehen. Aber ansonsten war das Le Chapiteau gut besucht und die Band wurde freundlich empfangen. Los ging es mit „Shouts of Joy“. Zu Beginn sah man eine gewohnte And One Show. Steve lief sogar zum Publikum an die Bande. „Keine Angst, ich bin nicht ansteckend.“ Es folgte „Timekiller“ und die Menge tanzte. Während des Songs „Unter meiner Uniform“ änderte sich plötzlich etwas. Steve wirkte angespannt und nachdenklich. Sprang und tanze er vorher noch selbstbewusst umher, wurde seine Körpersprache nun deutlich ruhiger. Diese Stimmung hielt auch tatsächlich ein Weilchen an. Die Bühne wirkte jetzt fast zu groß für den sonst so einnehmenden Sänger. Doch er kämpfte sich zurück. Das Publikum stimmte beim Song „Deutschmaschine“ kräftig mit ein. Steve stellte sich sogar auf die Absperrung direkt an der Menge. Die Securities wirkten sichtlich nervös. Alles ging gut. Mit „Bodynerv“ kehrte dann auch der Spaß zurück. Joke gab noch „So High“ zum Besten und dann gelang es den beiden Sängern für mächtig Stimmung zu sorgen. Joke riss sich irgendwann euphorisch die Krawatte vom Hals, zog sein Sakko aus und warf es übermütig ins Publikum. Niemand hat verlernt, bei „Technoman“ mit einzustimmen. Auf einmal verkündete Steve: „Joachim…? Hier ist unser 4., 5., 6. heimliches Bandmitglied, unser Herbergsvater: Joachim Witt.“ Genau dieser betrat nun für einen kurzen Moment die Bühne. Steve bedankte sich mit einem Kniefall. Nach dem letzten Song verabschiedeten sich And One mit den Worten: „Dankeschön Freunde, es war uns eine Ehre.“

Somit endete auch der zweite Festivaltag. Das Plage Noire 2022 wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. An dieser Stelle sollte auch mal die großartige Organisation erwähnt werden. Uns begegneten ausnahmslos freundliche und engagierte Mitarbeiter. Alle Bereiche des Festivals waren sehr sauber. Längere Wartezeiten blieben komplett aus. Man fühlte sich überall willkommen und verbrachte gerne Zeit auf dem Gelände oder an dem wunderbaren Strand. Dieser besondere Ort mit dem einzigartigen Flair ließ uns für ein Wochenende abtauchen. Der Festivalblues wird uns vermutlich hart treffen. Aber zeitgleich erwacht auch bereits die Vorfreude auf das Plage Noire im nächsten Jahr. Der Termin steht bereits fest: am 28. Und 29. April 2023 kehren wir zurück. Der Vorverkauf ist bereits gestartet. Doch nun geben wir Schwarzlinge den Weissenhäuser Strand erstmal wieder frei. Das bunte Treiben wird hier wieder Einzug halten und nur die Bilder und Erzählungen über uns bleiben.

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