Elbriot 2017 – Core-Sandwich mit ein bisschen wenig Bass


Im 3. Jahr in Folge besuchte ich erst das Wacken Open Air und dann 2 Wochen später das Elbriot 2017. Im dritten Jahr in Folge könnte ich darüber schreiben, wie sehr ich mich nach Wacken über das Riot freue: Eine einfache Anreise zu Fuß vom Hamburger Hauptbahnhof, ein asphaltierter Boden in dem man nicht versinkt, ein übersichtliches Gelände … Aber dieses Jahr wurden mir – bei aller Liebe – auch die Nachteile des Elbriot bewusst. Wie mein Kollege Ty es ausdrückte: Das Elbriot hat für ein Open-Air-Event etwas „wenig Eier“. Zum ersten Mal erlebte ich, wie der gleiche Headliner auf Wacken und dem Elbriot spielte: Megadeth. Und nachdem ich mit zwei Wochen Abstand dieselbe Band mit einem nahezu identischen Set in zwei Locations hörte, wurde mir ziemlich deutlich, um wie viel besser die Anlage auf dem Wacken Open Air war. Ja, der heilige Acker war größer und die Mainstages brauchten daher mehr Druck, damit man auch am Ende vom Infield hörte, wer der kleine Punkt war der gerade auf der Bühne auf und ab sprang.

Aber es war nicht das Volumen was mich störte, es war der fehlende Bass und vor allem die Tatsache, dass die Anlage mit den tiefen Gitarren-Riffs nicht klar kam. Während die normalen Gitarrensoli und auch das Growling von Architects und der Gesang von Children of Bodom sauber ausgespielt wurden, merkte man bei Hatebreed sofort wie die tiefen, dröhnenden Hardcore-Riffs, die die Anlage überforderten. Schuld daran waren bestimmt irgendwelche Dezibel-Regularien für innerstädtische Veranstaltungen die dafür sorgen, dass man auch auf der Freilichtbühne im Stadtpark wegen Bass-Mangel keine Hip-Hop-Acts mehr genießen konnte. Und bestimmt haben diese Regularien auch Daseinsberechtigungen, weil die zu starken Bässe sonst irgendwelche Schäden an der Kanalisation unter der Eventfläche oder psychischen Stress bei den Ratten in den Kanälen auslösen würden. Aber es war trotzdem schade, denn dadurch blieb ein kleiner Wermutstropfen bei dem sonst so großartig durchorganisierten Festival. Mit trockenen Füßen und einer einfachen Anreise. Und natürlich tollen Acts.

Elbriot 2018 Tickets + Infos:

Architects

“All our gods have abandoned us” heist das aktuelle Album der Architects. Überschattet vom Tod von Gründungsmitglied Tom Searle, thematisiert das Album Systemkritik an Umwelt und Politik und verkörpert dabei eine unglaubliche Wut, die selbst Hardcore- und Metalcore-Alben nur selten erreichen. Sänger Samuel David Carter gab auf dem Elbriot 2017 dieser Wut wortwörtlich eine unglaubliche Stimme. Mit harten Growls, die zwischen seinen melodischen Gesängen im Kontrast noch härter und aggressiver wirkten, warf er der Welt und den Besuchern seine ganze Energie entgegen als er mit „Nihilist“ und „Deathwish“ sein Set eröffnete. Dieses Level hielt er durchgehend über sein 45-minütiges Set bis „A match made in heaven“ und „Gone with the wind“, zwei Songs die bei weitem nicht so ruhig und romantisch waren wie der Titel vielleicht vermuten ließ.


children of bodom

Schweden habe ich in der Vergangenheit immer wieder erwähnt. Schweden bringt gute Metalbands hervor. Und Hardrock, wie ich dieses Jahr in Wacken feststellen durfte. Children of Bodom ist eine finnische Band, die mich meine Theorie überdenken ließ, denn vielleicht war es nicht Schweden an sich, sondern grundsätzlich die kalten nordischen Gefilde mit den langen Sommertagen und den nicht enden wollenden Winternächten, die die Menschen da oben jedes Jahr auf‘s Neue heimsuchen und in ihnen Lieder und Geschichten weckt – die mit einer lauten, verzerrten Gitarre zusammen gesungen werden sollten.

Mit großen Sensenmann als Hintergrundbanner und ihrem jüngsten Album „I worship Chaos“ im Gepäck präsentierten die Finnen eine Mischung aus kurzen melodischen Parts zwischen Sequenzen, die sich keiner Tonleiter zu unterwerfen scheinen. Dabei jaulte zwischen den Gitarren auch das Keyboard von „Warman“ Janne Wirman auf, als wäre es eine weitere Lead-Gitarre und duellierte sich sogar kurz mit Gitarrist Daniel Freyborg. Dazu sang Frontmann Alexi „Wildchild“ Laiho Texte über Tod und Leid und einzig Bassist Henkka „T. Blacksmith“ Seppälä stand wie ein Fels in der Brandung auf der Bühne und gab zusammen mit der Doublebass-Drum den Takt vor, der die Besucher mitriss zum Crowdsurfen, Moshen und Headbangen.

hatebreed

Hatebreed ist die eine Hardcore-Band, die ich auf der EMP Persistance-Tour im Januar vermisst habe. Neben Suicidal Tendencies und Agnostic Front sind Hatebreed einer der großen Wegbereiter für Hardcore und Metal Core. Umso mehr freue ich mich, als Frontmann Jamy Jasta mit seinem neuen Album „The Concrete Confessional“ im Gepäck, das Mikro in der rechten Hand und seine linke Hand zur Pistole geformt auf die Bühne stürmt und mit „A.D.“ und „Looking down the barrel today“ sein Set eröffnet.

Jamy und Hatebreed haben vielleicht nicht so viel Wut im Bauch wie die Architects, aber man merkt ihnen an, dass sie 10 Jahre mehr Bühnenerfahrung auf noch viel größeren Bühnen als dem Riot haben. Während die Architects ihre Wut geradeheraus rausschrien und dafür vom Publikum mit Anerkennung und Empathie belohnt wurden, fraß die Menge Hatebreed vom ersten knallenden Gitarrenriff bis zum letzten „Thank you so much“ aus der Hand. Heavy Metal, Hardcore, Metal-Core – alles ist „Heavy Music“ fasste Jamy treffend die Stimmung auf dem diesjährigen Elbriot zusammen. Und ließ seine Band kurz „Raining Blood“ von Slayer anspielen als sich ein kurzer Regenschauer auf das Riot ergoss.

Trivium

“Verrücktester Asiate des Heavy Metal?” Bis vor kurzem hätte ich sofort „Herman Li von Dragonforce“ geantwortet. Und auch nach dem Riot würde ich wahrscheinlich immer noch „Herman Li“ sagen wenn man mir die Frage stellen würde, aber Mathew Heafy, Lead-Gitarrist und Sänger von Trivium, wäre eindeutig mit im Rennen. Der durchtrainierte Asiate mit den tätowierten Armen und dem Kurzhaarschnitt  war im zarten Alter von 14 Jahren bereits Gründungsmitglied von Trivium, wurde mit 15 zum Sänger ernannt und gewann mit 20 den Golden God Award von Metalhammer. Mit 2011 durfte Trivium als Vorband von Iron Maiden auftreten, 2013 produzierte Disturbed-Sänger David Draiman ihr Album „Vengance Fall“ und zeigte der Band – die damals schon auf eine mehr hohen Niveau spielte – wie sie ihren Stil noch ein bisschen besser an ihre Fähigkeiten anpassen konnten.

Auf dem Papier könnte man vermuten dass in Florida gerade ein würdiger Nachfolger von Metallica heranwächst. Und auf dem Riot konnte ich mich endlich davon überzeugen, dass der Hype um diese band mehr als Gerechtfertigt war. Neben Hatebreed war Trivium mein persönliches Highlight auf dem Elbriot 2017 (Megadeth hatte ich ja schon in Wacken gesehen).

bullet for my valentine

Es gibt Bands, bei denen man denkt dass es sie in Mehrfach-Besetzung geben muss, weil sie gefühlt jedes Jahr auf‘s neue auf jedem einzelnen Festival Antrifft. Letztes Jahr Greenfield, Rock im Park und Wacken, dieses Jahr Elbriot, dazwischen unzählige Auftritte auf der ganzen Welt. Wenn man die Waliser mal live erlebt (und wie gerade erwähnt gibt es dafür mehr als genug Gelegenheiten), versteht man wie die Nachfrage entsteht, die so viele Konzerte rechtfertigt. Ja, es gibt sie, die harten, tiefen Riffs und Doublebass aus dem Metal-Core. Aber die klaren Gesänge von Matthew Tuck, die melodischen Gitarren-Rythmen die eher dem Hardrock zuzuordnen sind, und die doch recht gestylte Inszinierung von Frontmann Matthew und Bassist Jamie Mathews sind ziemlich weit weg von dem harten Metalcore eines Hatebreed oder Architects. Und ziehen ein breiteres, eher jüngeres Publikum mit einer höheren Frauenanteil an.

Dabei liefert BMFV eine tolle Show ab. Doch – ohne respektlos gegenüber der BFMV klingen zu wollen – als Warmup vor Megadeth hätte ich mir als Sub-Headliner doch eine etwas härtere Band gewünscht. Wie Hatebreed. Oder Trivium.

Megadeth

Was soll ich hier noch über Megadeth schreiben, was ich nicht schon vor zwei Wochen in Wacken geschrieben habe? Dass Dave Mustaine es immer noch drauf hatte hatte ich bereits geschrieben, ebenso dass Megadeth sich nicht wirklich verändert hatte und immernoch eine gelungene Mischung aus Komplexen Riffs und harmonierenden Gitarren in Kombination mit den markant systemkritischen Texten. Wenn man eine Band mit zwei Wochen Abstand noch mal auf einem Festival sieht, bemerkt man die kleinen Unterschiede. Natürlich auch in der Setlist, immerhin hatte Megadeth in Wacken mehr Zeit als auf dem Riot, so dass das Intro kürzer war, und nach dem Eröffnungssong „Hangar 18“ direkt „The threat is real“ folgte. Oder dass am Ende nach „Symphony of Destricuton“ „Mechanix“ weggelassen wurde und sofort „Peace sells“ und „Holy wars“ kam – ohne dass man die Zeit hatte nach einer Zugabe zu schreien.

Die wichtigen Unterschiede merkt man jedoch während der Songs. Wo stehen die Musiker, was machen sie, wie bewegen sie sich aufeinander zu oder voneinander Weg. Und was für Ansagen kommen zwischen den Songs. Was beim ersten Mal noch natürlich wirkte, kann beim zweiten Mal doch inszeniert erscheinen, weil man da erst merkt dass sich alles genau so abspielt wie beim ersten Mal. Dies kann in der Form natürlich beabsichtigt sein, und ist bei Bühnenshows die eine Story erzählen ein muss. Bestes Beispiel dafür ist die Show eines Alice Cooper, die schon fast einer Live-Theater-Aufführung gleicht.

Bei Megadeth gab es beide Male keine großen Ansagen, dafür nahm sich Dave weder in Wacken noch auf dem Riot die Zeit. Viel lieber spielte er mit seiner Band die Songs runter die Megadeth groß gemacht hatten. Keiner von ihnen folgte dabei vorgegebenen Routen oder Griff auf einstudierte Gesten zurück. Dadurch entwickelte das (für mich) zweite Megadeth Konzert eine etwas andere Dynamik auf der Bühne, obwohl Musikalisch alles wie beim ersten Mal war. Schön zu sehen, dass der Spaß und die Energie die die Metal-Legende nach all den Jahren immer noch auf der Bühne abliefern echt ist, und nicht durchchoreografiert wie bei manch anderen.