Deichbrand Festival 2017 – So war der Sonntag


Ganz verschont vom Regen ist das Deichbrand Festival 2017 nun leider doch nicht geblieben. In der Nacht von Samstag auf Sonntag ergossen sich einige Liter Regenwasser über der Zeltstadt auf dem Flughafen Nordholz/Cuxhaven. Für einige Festivalbesucher Grund genug, bei Tagesanbruch die nassen Sachen zusammenzupacken (leider im schlimmeren Fall auch oft einfach da zu lassen) und in den Sack zu hauen. Auch wenn es schade um das coole Line-up ist. Felder und Wege haben sich derweil in ein regelrechte Schlammfläche verwandelt. Für Trecker aus der Umgebung also einiges zu tun, arme festgefahrene Camper mit deren Autos aus dem Matsch zu befreien. Ein wenig leerer ist’s daher am letzten Tag auf dem Festivalgelände. Die Sonne kommt raus, es bleibt trocken, doch ohne Gummistiefel geht es nicht. Einer ausgelassenen Feier-Stimmung steht aber nichts im Wege. Mit Künstlern wie Apocalyptica, Emil Bulls, Cro, Biffy Clyro und Billy Talent (und noch einer ganzen Menge mehr), ist das Tages-Line-Up nochmal gut gefüllt und so geht das Deichbrand 2017 in seiner 13. Runde nun auch schon wieder zu Ende. Im kommenden Jahr geht es vom 9. bis 22. Juli aber wieder weiter!

Deichbrand festival 2018 Tickets + Infos:

emil Bulls

An Bühnenerfahrung mangelt es den fünf Musikern nicht, ganz im Gegenteil. Sie blicken bereits auf eine 21-jährige Laufbahn als Musiker zurück. Ihr Stil ist allerdings ungewohnt hart. Und sie kennen keine Gnade, wenn die Double-Bass im fliegenden Wechsel mit den Gitarrenriffs losdonnern. Ihr Sound ist aber nicht nur knüppelhart, sondern zeigt auch den ein oder anderen charmanten Pop-Moment. Dank der kräftigen Stimme von Sänger Christoph von Freydorf gibt es dazu aber auch tighte Breakdowns. Er ist ein echtes Energiebündel, sucht aber auch gerne die Nähe zu seinen Fans und gibt sich seinen musikalischen Emotionen kniend, bebend und rockend völlig hin. Die Münchener schenken dem Publikum am frühen Nachmittag sauber ins Ohr flutschende Refrains und hüftkompatible Riffs. Saucool!


Apocalyptica

Viele Bands covern bekanntlich Metal-Songs. Aber eine Interpretation auf dem Violoncello war 1993 noch völlig unbekannt, als sich damals  vier Finnen zusammensetzen und die Band Apocalyptica gründen. Ihre Lieblingsband Metallica ist damals mit „Nothing Else Matters“ oder „Enter Sandman“ großes Vorbild. In der Szene werden sie mit diesen Cover-Songs auf einen Schlag bekannt. Es folgen eigene Werke Alben, Charterfolge und Koperationen und mittlerweile sind Eicca Toppinen, Paavo Lötjönen und Perttu Kivilaakso aus der Musikbranche nicht mehr wegzudenken. Vorbei sind aber auch die Zeiten, in denen das Trio allein auf der Bühne steht. Drummer Mikko Sirén​ begleitet die Jungs während der meisten Songs. Die langen Haare fliegen wild, während die Musiker ekstatisch mit ihrem Cello verschmelzen. Die eindringliche Stimme von Perez schafft reihenweise Gänsehaut-Feeling. Aber sobald die bekannten Metallica-Hits einsetzen, übernimmt natürlich gern das Deichbrand-Publikum den stimmlichen Part.

Genetikk

Nach frischer Tournee unter dem Motto „FUKK“ zum gleichnamigen Album zeigen sich Karuzo und Sikk aka Genetikk und ihre Gang  in diesem Jahr auf mehreren Open-Airs als Gäste. So auch beim Deichbrand Festival 2017. Das Bühnenbild, ein Nachbau einer Favela, hat bereits für einigen Gegenwind gesorgt. Zumindest im Zusammenhang mit dem aktuellen Albumcover zu FUKK. Nennen wir es Gesellschaftskritik. Künstlerisch verpackt. Das junge Publikum hat heute keine Lust auf schwere Unterhaltung, Genetikk auch nicht. „Peng peng! Schüsse-Schüsse in die Luft“ lässt alle Hände  gen Himmel fliegen. Die Menge vor der Bühne bewegt sich wie eine Welle in alle Richtungen. Textsicherheit bis in die letzte Reihe. Genetikk liefert ordentlich ab und werden reichlich belohnt!

drangsal

Hinter Drangsal steckt Max Gruber – Autodidakt, Außenseiter, Musikbesessener. Er taucht 2016 scheinbar aus dem Nichts in der deutschen Musiklandschaft auf und hat bis heute einen regelrechten Aufschwung erlebt, der sich mehr als sehen und hören lassen kann. In seiner Musik stecken die Erfahrungen, die er in jungen Jahren beim Aufwachsen in der eher konservativen pfälzer Provinz machte. Live wird Drangsals Brachial-Pop erst so richtig in all seiner Intensität entfesselt und mit den Songs sowie dem Achtziger-Jahre-Charme seines Debütalbums „Harrieschaim“ kommt Drangsal im Palastzelt bei den Zuschauern richtig gut an.

cro

Nach drei Jahren musikalischer Pause meldet sich Cro aka. Carlo Waibel, der Raop-Rapper und Panda-Maskenträger, endlich zurück. Der Stuttgarter veröffentlicht im September sein neues Album „Fake you“, sein bisher persönlichstes Album. 2011 veröffentlichte er sein Debüt-Mixtape „Meine Musik“ und noch im selben Jahr unterschrieb er beim independent Label Chimperator. Es folgt die erste Hit-Single „Easy“ und zieht einen unbeschreibliche Erfolgsstory hinter sich her. Ohne es zu wollen, prägt er mit seiner Musik und seinem Look eine ganze Generation. Die Panda-Maske wird dabei für Cro zum Markenzeichen, aber auch zum Schutz, um im privaten Leben unerkannt zu leben. Nun erscheint der Rapper gereift wieder auf der Bildfläche, hat verarbeitet, was in den Jahren alles um ihn herum geschehen ist. Cro durchlebt derzeit einen Imagewechsel, zeigt sich sogar im aktuellen Video ohne Maske, bleibt abzuwarten, ob seine Fans das neue Album genauso lieben werden, wie all die anderen. Als Headliner der Herzen kann der Panda-Rapper jedenfalls beim Deichbrand 2017 völlig überzeugen und das mit großartigem Bühnenbild, er schwebt auf einer Art Wolkenbett über seiner Liveband und einem Mix quer durch das Cro-Hit-Imperium – inklusive neuem Material.

schnipo schranke

Die beiden Sängerinnen und Instrumentalistinnen Daniela Reis und Friederike „Fritzi“ Ernst sind mit ihrem Indie-Pop-Projekt derzeit in aller Munde, vor allem seit ihr Song „Pisse“ 2015 in den sozialen Medien enorm viel Aufmerksamkeit erregt hat. Charmant und selbstbewusst kommen die beiden jungen Frauen daher. Sie machen nur das, was sie wollen und basteln sich sozusagen ihren eigenes Genre. Dafür ernten die Hamburgerinnen hierzulande viele Sympathiepunkte. Die beiden ehemaligen Musikstudentinnen (sie lernten sich beim Studium kennen und fühlten sich etwas unterfordert) bündeln ihre Kreativität in ihren Songs und Lyrics, dazu gibt es Klavier-, Synthie- und Drumimpulse jenseits der meisten konservativen Charterfolge. Auf jeden Fall sind die beiden Damen und ihr Sound recht ungewöhnlich, einen Hauch vulgär vielleicht gar obszön und das gepaart mit eingängigen Melodien.

biffy clyro

Nachdem Biffy Clyro in 2016 das aktuelle Album „Ellipsis“ veröffentlicht haben, musste natürlich auch eine Tour her und nun sind sie beim Deichbrand 2017 als Headliner zu sehen. Mit einem gewaltigen Lichtgewitter kommen Biffy Clyro auf die Bühne und zerreißen direkt mit dem ersten Song „Wolves of Winter“ von ihrem aktuellen Album „Ellipsis“ den Laden. Die Röhren der Fender-Amps laufen bei den derben Anschlägen der Saiten-Vergewohltätiger heiß. Sparsam gehen die drei Schotten mit ihrer Energie nicht um. Sie springen, treten in die Luft und holen alles aus ihrem Körper heraus. Vor der Firestage ist es proppenvoll und der stechende Strat-Sound von Frontmann Simon hagelt durch die PA. Mit sanften und harten Progressiv-Rock-Sounds, schmettern Biffy Clyro immer weitere Fetzen Seele in die Herzen der Fans. Die Lieder der drei halbnackten Schotten erinnern an einen guten Highschool Film mit einer schönen Prise schottischer Stahlsaiten zum Nachtisch. Die erfrischende Abwechslung zwischen gepfefferten Rocksongs und ruhigen Balladen, streuen eine große Portion Salz in die Wunde, wenn es heißt, dass das der letzte Song an diesem Abend ist. Biffy Clyro haben einfach einen großen Vorteil vielen Bands gegenüber, sie sind nämlich eine verdammt gute Live-Band und ihr Repertoire an Hits wird von Album zu Album größer. Biffy’s Sound ist einzigartig und lebendig.

billy talent

Wie wird man der Headliner eines großen Festivals am letzten Abend? In dem man seit über 20 Jahren – so wie Billy Talent – ein Garant für ein großartiges Punk Rock-Konzert ist. Mit ihrem jüngsten Album „Afraid Of Heights“ (VÖ 29.07.2016) haben sie vor allem live nochmal eine ordentliche Schippe drauf gelegt. Pyro Show? Nein. Melancholisches Intro? Nein. Billy Talent fackeln nicht lange. Und die Fans, die sich extra drei Tage lang warmgetanzt und auf diesen einen Moment gefreut hat, ist außer sich, tobt, schreit und tanzt. Neue Songs, ein neues Bühnenbild und eine Menge neuer Lichteffekten haben Billy Talent mit über den großen See geschleppt. Sparsam ist was anderes. Frontsau Benjamin Kowalewicz und Co. haben einige Lieder auf ihrem Zettel stehen, die die Schweißdrüsen in Wallungen bringen und seine Stimme ist so unverkennbar, wie seine Posen an der Bühnenkante. Es ist faszinierend zu sehen, wie sehr diese Musiker noch einmal über sich selbst hinaus gewachsen sind. Billy Talent sind live schlicht und ergreifend und ein Feuerwerk des guten Punk Rocks. Ihre Energie auf der Bühne ist großartig, das Zusammenspiel mit den Fans perfekt. Das einzige Manko an diesem letzten Abend beim Deichbrand Festival 2017 ? Dass er irgendwann ein Ende finden muss…

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